Radikale Islamisten planen Kalifatskonferenz in Vösendorf

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Die internationale Kaderpartei Hizb-ut-Tahrir will nahe Wien darüber diskutieren, wie ein islamischer Gottesstaat errichtet werden kann. Laut Information der Behörden fehlt für die Konferenz die Genehmigung.

Wien. Der Einladungstext klingt informativ: „Rückständigkeit, Despotismus, Frauenunterdrückung und Terror“ würden viele Menschen im Westen mit dem Begriff „Kalifat“ assoziieren. In Wirklichkeit sei ein islamischer Staat mit einem Kalifen, einem Stellvertreter Gottes auf Erden, ein „alternatives Staatsmodell“, ein System „mit den richtigen Lösungen für die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme“.

Was die internationale islamistische Organisation Hizb-ut-Tahrir unter dem „Kalifat“ noch alles versteht, möchte sie bei ihrer „Ersten Kalifatskonferenz in Österreich“ darstellen. Die für 10. März geplante Veranstaltung soll in Vösendorf bei Wien stattfinden – und zwar in einem Saal, der normalerweise für türkische Hochzeiten verwendet wird.

Hizb-ut-Tahrir – 1953 vom palästinensischen Juristen Taquiuddin al-Nabhani in Ostjerusalem gegründet – will einen Gottesstaat verwirklichen, in dem „das islamische Recht in allen Bereichen zur Anwendung“ komme, wie Shaker Assem, Sprecher der Organisation für den deutschsprachigen Raum, zur „Presse“ sagt. Nachsatz: „Wir streben dieses Staatsmodell nicht in Europa oder einem westlichen Land an, sondern in den Ländern der islamischen Welt.“

Was Christen wie Muslimen gleichermaßen in Europa erspart bleibt, wo die Mehrheit der Bevölkerung nicht muslimisch ist, soll dafür in der islamischen Welt realisiert werden: Körperstrafen, wie sie in der Scharia stehen, Todesstrafe für homosexuelle Akte zwischen Männern, eine islamische Wirtschafts- und Sozialordnung.

In Deutschland ist die Organisation, die einer klandestinen Kaderpartei ähnelt und vor allem gebildete, oft gut integrierte Muslime anspricht, seit 2003 verboten. Seither bildet Österreich die „Zentrale“ im deutschsprachigen Raum, sagt der Wiener Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger. Der Verfassungsschutz hat die Aktivisten unter Beobachtung. Näheres wollte man im Innenministerium auf Nachfrage der „Presse“ nicht sagen. In Europa ist Hizb-ut-Tahrir außerdem in Großbritannien sehr aktiv; ihre Hochburgen befinden sich allerdings in den zentralasiatischen Republiken Usbekistan und Tadschikistan. Die autokratischen Regime dieser Staaten gehen äußerst repressiv gegen die Anhänger vor: Laut Eigenangaben von Hizb-ut-Tahrir sitzen Dutzende Mitglieder in Gefängnissen, werden gefoltert, manche verschwänden spurlos.

Was das Gefahrenpotenzial der Partei angeht, so stelle Hizb-ut-Tahrir „keine terroristische Gefahr für Europa“ dar, sagt Schmidinger. „Die Organisation distanziert sich von individuellem Terror.“ Pazifisten seien sie deshalb nicht: Die Partei verfolge eine gleichsam „leninistische Strategie: Wenn eine revolutionäre Situation erreicht ist, ist Gewalt erlaubt.“ Offenbar fühlt sich Hizb-ut-Tahrir durch den Arabischen Frühling und die „syrische Revolution“ (auf die in der Konferenzankündigung Bezug genommen wird) beflügelt – daher die geplante Veranstaltung in Vösendorf.

Keine Genehmigung für Saal?

Der Besitzer des Saales, Yusuf Yildiz, sagte zur „Presse“, er habe von den ideologischen Positionen Hizb-ut-Tahrirs „nichts gewusst“. Was genau auf der Konferenz gesprochen würde, „interessiert uns nicht“, sagt Yildiz. Zurückziehen werde man die Vermietung des Saals, in dem 1500 Menschen Platz haben, nicht; der Mietvertrag sei schon unter Dach und Fach.

Die Gemeinde Vösendorf erhebt jedoch Einspruch. Der Veranstaltungsort verfüge nicht über die notwendige behördliche Genehmigung, erklärte der Vösendorfer Amtsleiter Josef Bauer: „Aus unserer Sicht kann diese Konferenz nicht stattfinden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2012)

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