Schönborn: Programmatische Predigt zur Sexualmoral

Archivbild; Kardinal Schönborn
Archivbild; Kardinal Schönborn(c) REUTERS (Herwig Prammer)
  • Drucken

Der Kardinal hat vor den Priestern seiner Erzdiözese zu einer der größten Konfliktzonen zwischen katholischer Lehre und Lebenspraxis gesprochen.

Einmal im Jahr hat Christoph Schönborn Gelegenheit, seinen Priestern, den Priestern der Erzdiözese Wien, zu predigen. Bei der Chrisammesse zu Beginn der Karwoche wird das Öl für die Sakramente gesegnet. Traditionell versammeln sich hunderte Kleriker im Stephansdom um den Kardinal. Auch heuer war das so. Und doch war manches anders.

Schon rund um den Palmsonntag hatte Schönborn viele (positiv) mit seinen einfühlsamen Worten für jenen homosexuellen Mann überrascht, der in Eingetragener Partnerschaft lebt und zum Pfarrgemeinderat einer Minigemeinde im Weinviertel gewählt wurde. In seiner Metropolitankirche hielt Schönborn nun eine programmatische Predigt – zu einem der heißesten Themen. Zu einer der größten Konfliktzonen zwischen der Lehre der katholischen Kirche und der Lebenspraxis, auch nicht weniger Katholiken: der Sexualmoral.
Barmherzigkeit war dabei eines der Schlüsselworte Schönborns. Barmherzigkeit jenen gegenüber, die das Ideal nicht verwirklichen. Damit liegt er ganz auf der Linie, die sein „Übervater“ vorgibt: Benedikt XVI. Von der Allgemeinheit wenig bemerkt, hat der Papst beginnend mit der ersten Enzyklika „Deus caritas est“ (Gott ist die Liebe) versucht, das Bild der katholische Kirche als Organisation voller (veralteter) Gesetze und Richtlinien zurechtzurücken. Mit wenig Erfolg, wie man jedoch sagen muss.

Was, so die rhetorische Frage des Wiener Erzbischofs in dieser Karwoche 2012, ist die Alternative in der Seelsorge? Rigorismus oder, so der von Schönborn verwendete Begriff aus der Moraltheologie, Laxismus? „Everything goes oder nothing goes?“, fragte er. Der Kardinal spricht offen Verunsicherung, Mutlosigkeit, ja Resignation von Priestern angesichts dieser Fragen in der Seelsorge an. Er nennt drei „unheile“ Situationen, an denen sich Lehre und Praxis besonders reiben: unverheiratetes Zusammenleben, auch schon sehr Junger, das für selbstverständlich gehalten werde; Zweit- und Drittehen nach Scheidungen; gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Eindringlich mahnt Schönborn die Priester, an den Idealen festzuhalten. Nicht aus Marotte, sondern weil sie der Lehre Jesu entsprechen. Schönborn: „Es ist nicht altmodische Engstirnigkeit, wenn die Kirche lehrt, dass Sexualität ihren echten Platz im geborgenen Raum der Ehe hat.“ Schönborn als Hardliner? Nein, Seelsorger müssten beides tun: An der Überzeugung festhalten, dass Ideale dem Menschen dienen. Und gleichzeitig den Menschen auf ihrem Weg helfen – ob sie das Ideal erreichen oder nicht. Für viele Priester an der „Front“ ist das gelebter Alltag. Aus dem Mund eines Kardinals beweisen die Worte Mut.

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4. April 2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.