Freilassung von Dutroux-Komplizin sorgt für Unruhe in Belgien

Vor dem Kloster warten Journalisten auf die Ankunft von Michelle Martin.
Vor dem Kloster warten Journalisten auf die Ankunft von Michelle Martin.(c) REUTERS (LAURENT DUBRULE)
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Die Fall um die entführten und ermordeten Mädchen gilt als ein Trauma für das Land. Die Regierung kündigte eine Justiz-Reform an.

Die vorzeitige Freilassung der Komplizin und Ex-Frau des Kindermörders Marc Dutroux sorgt in Belgien für Unruhe und Entsetzen. Die 52 Jahre alte Michelle Martin will künftig fernab der Öffentlichkeit im Klarissinnenkloster in Malonne bei Namur leben. Dort traf sie am späten Dienstagabend ein. Das Kloster wurde von der Polizei mit weitem Abstand abgesperrt. Auch am Mittwoch wird in dem Ardennen-Ort wieder mit Protesten gegen die Unterbringung bei den Nonnen gerechnet.

Martin hatte am Dienstagabend nach 16 Jahren Haft das Gefängnis Berkendael in einem Geländewagen der Polizei vorzeitig verlassen. Das Berufungsgericht in Brüssel lehnte nach einem langen juristischen Tauziehen den Widerspruch von Opferfamilien ab und sah keine Gründe, die gegen die Freilassung sprachen. Vor dem Kloster protestierten am Dienstag rund 50 Menschen gegen das Urteil.

Das Urteil dürfte weiter für heftige Debatten sorgen. In Belgien ist bisher eine vorzeitige Entlassung möglich, wenn mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt ist. Die Regierung des sozialistischen Premiers Elio Di Rupo hatte nach Protesten angekündigt, dass dies in Zukunft in besonders schweren Fällen nicht mehr erlaubt sein solle. Die Angehörigen der Opfer sollen zudem mehr Rechte auf Anhörung erhalten.

Belgien braucht "Heilungsprozess"

Zur vorzeitigen Freilassung der Komplizin und Ex-Frau des Kindermörders Marc Dutroux nach 16 Jahren Gefängnis schrieb die belgische Zeitung "De Standaard" am Mittwoch:

"In diesen 16 Jahren hätte mehr getan werden können und müssen, um den gesellschaftlichen Heilungsprozess voranzubringen. Zumindest hätte die Bevölkerung besser darauf eingestellt werden müssen, dass es auch bei langen Gefängnisstrafen eine (vorzeitige) Freilassung gibt. Auch für jemanden, dessen Taten durch keine Strafe in Vergessenheit geraten können. Auch für jemanden, dessen Schuld zu groß ist, um vergeben werden zu können. Auch für jemanden, der alles Recht auf Verständnis und Mitgefühl verspielt hat.

Dass es in unserer Gesellschaft noch eine Einrichtung gibt - in diesem Fall ein Kloster -, die trotzdem eine Ausgestoßene aufnimmt, die sonst nirgendwo in der Welt einen Platz für sich finden würde, sollte uns zufrieden stimmen. Die Aufgabe, die die Schwestern im Klarissinnenkloster auf sich nehmen, ist ebenso schmerzvoll wie beeindruckend."

(APA/dpa)

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