Türkei: „Mehmet“ will zurück nach München

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Der Fall erregte ganz Deutschland. Vor 14 Jahren wurde der Serienstraftäter „Mehmet K.“ als Kind aus der Münchner Untersuchungshaft heraus in die Türkei abgeschoben. Jetzt will er wieder heim nach Bayern.

Istanbul. Ein junger Mann mit kurzem Haar und schwarzem Hemd blickt ernst in die Kamera. Muhlis Ari, einst bekannt als „Serienstraftäter Mehmet", hat das Foto für seine Facebook-Seite gewählt. Der 28-Jährige gibt sich als gereifte Persönlichkeit, die nichts mehr mit jenem Teenager zu tun hat, der seine Geburtsstadt München und Deutschland vor anderthalb Jahrzehnten verlassen musste, weil er zuhauf Straftaten begangen hatte.
Auch auf einem Video der „Bild"-Internetausgabe tritt Ari als geläuterter „verlorener Sohn" auf: „Alles, was mich ausgemacht hat, hatte ich aus Deutschland", sagt er. Nun will „Mehmet", wie er einst aus Jugendschutzgründen genannt wurde, aber nach München heimkehren - was in Deutschland für gewisse Unruhe sorgen dürfte.

Im November 1998 war „Mehmet" aus der Münchner U-Haft nach Istanbul abgeschoben worden, nachdem er mehr als 60 Straftaten in Deutschland verübt hatte. Sein Fall machte Schlagzeilen, weil Deutschland damit erstmals ein Kind allein des Landes verwies, obwohl seine Eltern legal im Land waren. Von der Türkei aus setzte er 2002 vor deutschen Gerichten zwar seine Rückkehr durch, und für eine Weile schien alles gut. Drei Jahre später aber floh er in die Türkei, nachdem er seine Eltern verprügelt hatte und dafür zu einer neuen Freiheitsstrafe (18 Monate Haft) verurteilt worden war.

Kurzkarriere im TV

Richtig glücklich wurde er dort indes nie. Kurz nach seiner Abschiebung sorgte er zwar mit einer bizarren Kurz-Karriere im TV für Schlagzeilen: In einem Istanbuler Musiksender sollte der damals auch bei seinen türkischen Landsleuten bekannt gewordene 14-Jährige Hits präsentieren. Doch seine bescheidenen Türkischkenntnisse setzten seiner Laufbahn bald ein Ende. Wenige Monate nach seiner Ankunft saß er wieder im Gefängnis: Man warf ihm vor, einen Laptop gestohlen zu haben. Nach zwei Nächten war er wieder frei. Doch sein Traum von einem Leben in Saus und Braus war dahin.

Im Industriestädtchen Cerkezköy etwa 100 Kilometer nordwestlich Istanbuls ließ er sich nieder und schlug sich mit diversen Jobs durch; seine Verwandten in Cerkezköy waren arme Leute und konnten ihm kaum helfen. „Das war natürlich alles nicht einfach", sagt er. „Man kann kein 14-jähriges Kind in ein Land schicken, das es nicht kennt."

Zuletzt arbeitete er just in einer „Paintball"-Spielanlage, stolz ließ er sich für Facebook vor dem Eingang ablichten. Doch auch dort hatte er kein Glück: Das Unternehmen sei vor einem Jahr geschlossen worden, hieß es am Montag in Cerkezköy. Die Telefonnummer der Firma ist abgemeldet.
Für das „Bild"-Video schlenderte Ari durch die Istanbuler City und das Nobelviertel Bebek. Seine Vergangenheit als „Verbrechensmaschine", wie ihn die türkische Presse hieß, ließ er angeblich hinter sich. Er habe sich geändert, und er sagt: „Ich bin ein Münchner Kindl. Das macht mich aus, das bin ich." Seine Taten in Deutschland habe er „in einer Art Trance" unter Gruppenzwang begangen. Aus heutiger Sicht sei das natürlich schrecklich.

„Wir wollen ihn hier nicht"

Nun wolle er ein Buch schreiben und ähnlichen Kindern helfen - aber solchen in Deutschland. Das dürfte ihm indes schwer fallen: Erstens ist seine Ausweisung rechtskräftig. Und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) richtete ihm am Montag aus: „,Mehmet‘ wollen wir hier nicht." Aber sollte er dennoch einreisen, müsse er erstmal seine Strafe wegen des Eltern-Prügelns absitzen.

Zur Person

Muhlis Ari (*1984 in München als Sohn türkischer Eltern) wurde 1998 unter dem jugendschutzrechtlichen Pseudonym „Mehmet“ bekannt, als man den Serientäter (über 60 Delikte wie Diebstahl, Körperverletzung) trotz seiner Jugend in die Türkei abschob. 2002 hob das Bundesverwaltungsgericht den Landesverweis auf, Ari kam zurück. Nach einer neuerlichen Verurteilung floh er in die Türkei: Er hatte seine Eltern verprügelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2012)

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