Südamerikas „dickster Fisch“ im Netz

(c) EPA (COLOMBIAN POLICE / HANDOUT)
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Polizisten nahmen den kolumbianischen Drogenboss Daniel Barrera, genannt „El Loco“ (der Verrückte), fest. Sein Vermögen wird auf mehr als zwei Milliarden Euro geschätzt.

Mit einem Lächeln voller Erleichterung trat Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos am Dienstagabend vor die Fernsehkameras. In einem Statement gab er bekannt, dass es soeben gelungen sei, den „letzten großen Capo“ des kolumbianischen Drogenbusiness festzunehmen: Daniel Barrera, der den Beinamen „El Loco“, der Verrückte, trug, wurde in einer Telefonzelle in der venezolanischen Stadt San Cristóbal gestellt, 20 Kilometer von der Grenze zu Kolumbien entfernt.

Barrera (44) stand seit 2007 ganz oben auf den Listen der Fahnder in Kolumbien und den USA, auf ihn waren Kopfgelder in Höhe von zusammen umgerechnet gut 5,9 Millionen Euro ausgesetzt. Die USA suchten den „Irren“ als Lieferanten des mexikanischen Sinaloa-Kartells. Präsident Santos verwies zudem auf Barreras zentrale Funktion im Kokainhandel mit den Nachbarstaaten Brasilien und Venezuela: Über die bolivarische Republik fließt ein erheblicher Teil des in Europa konsumierten Kokains. Vor einem Monat fanden Ermittler auf den Kanarischen Inseln 1,5 Tonnen Kokain in einem Privatjet aus Venezuela.

Zwei Jahrzehnte unerkannt

Zwei Jahrzehnte lang schaffte es Barrera, unerkannt im Drogengeschäft zu bleiben. Erst 2007 begann die Großfahndung. Das lag an Barreras extremer Vorsicht (er kommunizierte nie via Handy oder E-Mail) und Skrupellosigkeit. Kolumbianische Medien berichten, dass er mehrfach das Land mithilfe von Ausweisen seines am Down-Syndrom leidenden jüngeren Bruders, dessen Fingerabdrücke er benutzte, verlassen habe.

Barrera begann seine Karriere auf dem Großmarkt von Bogotá, wo er offenbar das Verhandeln lernte. Sein älterer Bruder Omar lockte ihn in den 1980ern in die Dschungel des Südens, wo Daniel lernte, Kokain zu „kochen“. Sein gewaltsamer Aufstieg begann mit einem Rachefeldzug gegen die Mörder seines Bruders, die er alle tötete. Den Beinamen „der Verrückte“ bekam er ob seiner maßlosen Brutalität und absoluten Haltlosigkeit, mit der er mit allen untereinander verfeindeten Parteien des kolumbianischen Konflikts Geschäfte machte. Er dealte gleichzeitig mit den linken Guerilleros der „Farc“ und rechten Paramilitärs und hatte Kontakte zu Spitzen von Polizei und Militär. So scheffelte er einen immensen Reichtum, der angeblich fünf Billionen Pesos übersteige, das sind über zwei Milliarden Euro.

Hilfe aus Washington und London

Auf Barreras Spur kamen die Kolumbianer offenbar durch einen Verwandten. Der britische Geheimdienst (aktiv in Kolumbien wegen der langen Zusammenarbeit der IRA mit dortigen Drogenhändlern und Guerillas) lieferte Daten über das familiäre Umfeld, die US-Dienste CIA und DEA verfolgten die Spur der Drogengelder und richteten jüngst ein Koordinationszentrum in Washington ein.

Venezuelas Polizei aber war es, die den Capo festnahm. 18 Tage vor der Präsidentenwahl ist der dickste „Fisch“ der Region eine Trophäe für Präsident Hugo Chávez, dem die USA erst kürzlich wieder vorwarfen, den Kampf gegen die Drogenkartelle zu unterlaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2012)

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