Fall Oliver (vorerst) entschieden: Vater erhält nun Sorgerecht

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Ein dänisches Gericht lehnt die Rückführung von jenem Fünfjährigen nach Österreich ab, der vom Vater gewaltsam nach Dänemark gebracht wurde.

Kopenhagen. Der fünfjährige Oliver, seit mehr als zwei Jahren Spielball eines erbitterten Sorgrechtsstreits, soll bei seinem Vater in Dänemark bleiben. Dies entschied am Freitag ein Gericht im dänischen Helsingør und lehnte den Antrag der Mutter ab, den Buben nach Österreich zurückzubringen.

Thomas Sørensen, Olivers Vater, hatte seinen Sohn am 3. April unter dramatischen Umständen vor dessen Kindergarten in Graz entführt und nach Dänemark gebracht, wo die Eltern früher lebten. Die Mutter, Marion Weilharter, legte gegen das Urteil sofort Berufung ein. „Froh und zufrieden“ reagierte Sørensen nach den Worten seiner Anwältin Maryla Wroblewski auf das Urteil.

Nach dem Scheitern ihrer Beziehung mit Olivers Vater war Weilharter im Sommer 2010 samt ihrem Sohn nach Graz gezogen. Die Art, wie sie dies tat, spaltet seither nicht nur die Eltern, sondern auch die Justizbehörden in Österreich und Dänemark. Die Mutter meint, sie habe ihren Expartner deutlich über ihre Pläne informiert. Der Vater behauptet, sie sei ohne Ankündigung verschwunden.

Das Gericht gab nun Sørensen recht: Weilharter habe ihre Pflicht, ihre Übersiedlung sechs Wochen vor dem Stichtag „konkret und präzis“ mitzuteilen, versäumt. Erst vierzehn Tage nach dem Umzug habe sie den Vater verständigt. Auch ihr dänischer Arbeitgeber und der Kindergarten, in den Oliver ging, seien nicht informiert gewesen. Daher habe sie sich einer Kindesentführung schuldig gemacht. Einen Monat nach der Abreise sprach die dänische Staatsverwaltung das alleinige Sorgerecht für Oliver, das bis dahin die Mutter gehabt hatte, dem Vater zu.

Während Wroblewski den Richterspruch als „richtige Entscheidung“ bezeichnet, kritisiert Weilharters dänische Anwältin Mona Meelberg das Urteil. Das Gericht habe „internationale Rechtssprechung nicht eingehalten“. Die Mutter habe ihr Kind nicht entführt, sondern das Recht gehabt, Oliver mitzunehmen. Dass dieser seither zwei Jahre bei ihr in Österreich lebte, hätte den Ausschlag zugunsten der Mutter geben müssen, meint die Juristin. Das Gericht verweist hingegen darauf, dass Oliver in Dänemark geboren und aufgewachsen sei und die „stärksten sozialen und familiären Bande“ habe. Dass die österreichischen Behörden der Mutter das Sorgerecht zuerkannten, spielte bei der Entscheidung ebenso wenig eine Rolle wie die Entführung Olivers aus Graz.

Entführung nicht „gesetzwidrig“

Diese sei keine gesetzwidrige Handlung gewesen, meint das dänische Gericht, da der Vater ein Recht darauf gehabt habe, sein Kind zurückzubekommen. Sørensen rechtfertigte sich, dass er keine andere Wahl hatte, da er auf dem offiziellen Behördenweg nicht weiterkam. Die Mutter habe durchgesetzt, dass er seinen Sohn nur selten und unter Aufsicht sehen konnte. Dabei habe er Deutsch sprechen müssen, was ihm schwerfalle.

Vorerst muss sich Sørensen aber schon ab Dienstag vor dem Landesgericht in Graz wegen schwerer Nötigung und Kindesentführung rechtfertigen. Er hatte den Fünfjährigen gekidnappt, als die Mutter diesen beim Kindergarten absetzen wollte. Während ein Helfer die Frau festhielt, setzte Sørensen den schreienden Buben in sein Auto und brachte ihn außer Landes. Die österreichische Justiz stellte einen Europäischen Haftbefehl aus, doch im Juni lehnte Kopenhagen die Auslieferung ab. Ob Sørensen zum Prozess kommt, ist noch offen.

Auf einen Blick

Der fünfjährige Oliver wurde von seinem dänischen Vater am 3. April vor einem Kindergarten in Graz gekidnappt und nach Dänemark entführt. Die Mutter ging vor Gericht, es tobte ein Sorgerechtsstreit. Nun hat die dänische Justiz in erster Instanz dem Vater das Sorgerecht zugesprochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2012)

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