Nordirland: Abtreibungsklinik löst Proteste aus

(c) REUTERS (CATHAL MCNAUGHTON)
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In Belfast öffnete Nordirlands erste Abtreibungsklinik. Im benachbarten Irland sind Schwangerschaftsabbrüche nach wie vor verboten. Hunderte Abtreibungsgegner haben sich vor der Klinik in Position gebracht.

Stunden bevor am Mittag in Belfast die erste Abtreibungsklinik Nordirlands eröffnete, hatten sich hunderte Abtreibungsgegner in Position gebracht: Mit Gebeten, Bildern abgetriebener Föten und Schlachtrufen wie „Abtreibung ist Mord“ protestierten sie gegen das „Service“, das künftig donnerstags und samstags im achten Stock einer ehemaligen Bank bei der Oper angeboten wird. Hier können sich Frauen nicht nur auf HIV testen und die Pille verschreiben lassen, sondern für umgerechnet etwa 550 Euro auch eine „medical abortion“, sprich eine Abtreibungspille, bekommen.

Gegen die teils militanten Abtreibungsgegner hat der Klinikbetreiber, die internationale Frauenorganisation „Marie Stopes“ (benannt nach der schottischen Botanikerin und Frauenrechtlerin, 1880 bis 1958), zusätzliche Wächter eingestellt, die Polizei forderte die Medien auf, keine Fotos der Gesichter der Kundinnen oder gar persönliche Daten zu veröffentlichen. Auch die Adresse ist erst kurz vor Eröffnung bekannt gegeben worden.

„Es gibt großen Bedarf dafür“

„Es gibt großen Bedarf für so eine Klinik“, sagte eine Sprecherin von Marie Stopes zur „Presse“. „Viele Frauen fahren dafür nach England oder sonst wohin oder besorgen sich Pillen im Internet ohne ärztliche Aufsicht. Viele haben uns geschrieben und sich bedankt, dass Nordirland endlich im 21. Jahrhundert angekommen ist.“

Laut Statistik des britischen Gesundheitsministeriums fahren im Jahr etwa 1000 Nordirinnen nach England und Wales, um ihre Schwangerschaften zu beenden. Die Dunkelziffer ist weit höher. Abtreibungen sind in Nordirland, anders als im übrigen Königreich, illegal: Das Gesetz von 1967, das sie bis zur 24. Woche unter bestimmten Umständen erlaubte, gilt hier nicht, weil Nordirlands dominante Parteien wie die mehrheitlich protestantischen „Demokratischen Unionisten“ und die katholische „Sinn Fein“ massiv dagegen waren.

Ausnahmen bleiben nur straffrei, wenn das Leben der Mutter akut in Gefahr ist oder ihre mentale und körperliche Gesundheit durch das Kind „zerstört“ würde – aus diesen Gründen wurden bisher rund 40 Abtreibungen pro Jahr erlaubt. Genau dieses Schlupfloch will Marie Stopes nützen: „Wir halten uns genau an den gesetzlichen Rahmen“, so die Sprecherin. „Und wir nehmen die Abbrüche auch nur bis zur neunten Woche vor, obwohl die Gesetzgebung für diese Ausnahmen gar keine Frist setzt.“

Angst vor Abtreibungstouristinnen

Die Abtreibungsgegner drohten Klage an: „Abtreibung darf nicht einfach ein Routineangebot werden“, so Liam Gibson von der „Gesellschaft zum Schutz des ungeborenen Lebens“. Er und seine Leute fürchten, dass durch die Klinik Schwangerschaftsabbrüche in Nordirland enttabuisiert würden und ein Abtreibungstourismus über die offene Grenze aus der Republik Irland einsetzen könnte, wo Schwangerschaftsabbruch ein Kapitalverbrechen ist. Nordirlands Politiker halten sich bisher zurück. Gesundheitsminister Edwin Poots kündigte bloß an, die Klinik streng überwachen zu wollen.

Der erbitterte Kampf zwischen Abtreibungsgegnern und -befürwortern in Irland treibt bisweilen absonderliche Blüten: 2001 schickte die niederländische Frauenorganisation „Women on Waves“ ein „Abtreibungsschiff“ vor die Küste, um in internationalen Gewässern die „Pille danach“ zu verteilen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2012)

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