Ausgebliebene Untergänge: Wenn das Ende nicht kommt

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Ausgebliebene Weltuntergänge säumen den Weg der Menschheitsgeschichte. Die Lust am Zeitenende bleibt weiterhin ungebrochen. Und was droht uns nach 2012?

„Und wenn tausend Jahre vollendet sind, wird der Satanas los werden aus seinem Gefängnis und wird ausgehen, zu verführen die Heiden an den vier Enden der Erde . . . Und es fiel Feuer von Gott aus dem Himmel und verzehrte sie.“ Das ist die Grundlage aller Apokalypsen, das ist die des Johannes (20, 7), sie wurde oft interpretiert, nachdem die erste Endzeit nicht gekommen war: „Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie sehen das Reich Gottes kommen mit Kraft.“

Diese Naherwartung der Endzeit erfüllte sich nicht, die Theologen gingen ans Rechnen und setzten zum einen auf die tausend Jahre aus der Apokalypse: Papst Silvester nahm den 31. 12. 999 als Stichtag – er brachte damit eine Massenhysterie in Gang –, Kaiser Otto das Jahr 1000. Als beide verstrichen waren, korrigierte Radolf Glaber, ein Mönch, auf 1033: Die Zählung dürfe nicht mit Jesu Geburt beginnen, sondern mit seinem Tod. Zum Jahr 2000 stiegen die Ängste wieder, und diesmal traf sich die Prognose mit einer anderen der Bibel entnommenen Zahl, der von den tausend Jahren, die vor dem Herrn sind wie ein Tag. Sie legte man auf die sechs Tage der Schöpfung um: 6000 Jahre werde sie bestehen. So kam etwa Bischof Ussher 1642 auf das Jahr 2000. Er hatte die Schöpfung auf das Jahr 4004 v. Chr. datiert. (Im Unterschied etwa zur jüdischen Tradition, die sie auf 3761 v. Chr. legt.) Aber nicht nur Kleriker sahen für 2000 dunkle Wolken, auch Wissenschaftler raunten vom Millennium-Bug Y2K, den die Umstellung von gleich vier Ziffern der Jahreszahl in den Computern bewirken sollte.

Auch Astronomen taten sich als Apokalyptiker hervor: Johannes von Toledo sah für 1186 das Ende kommen, da dann alle Planeten im Zeichen der Waage standen. Verheerende Stürme und Erdbeben sollten die Welt heimsuchen. Der Kaiser von Byzanz ließ alle Fenster seines Palastes zumauern, der Erzbischof von Canterbury ordnete dreitägiges Fasten an, um die Briten auf das jüngste Gericht vorzubereiten.

1910 gab es für die Astronomen zumindest einen konkret fassbaren Anlass: Der Halley'sche Komet näherte sich der Erde und löste weltweit Hysterie aus. In Oklahoma musste die Polizei sogar ein Menschenopfer verhindern. Reformator Martin Luther sagte gar dreimal das Ende voraus: 1532, 1538 und 1541. Danach gab er es auf, exakte Daten anzugeben.

Treue Propheten des Untergangs sind auch die Zeugen Jehovas, deren Gründer Charles Taze Russel 1874 das Ende kommen sah, sich nach Ausbleiben auf 1914 verlegte, das errechnete er aus den „sieben Zeiten“ im Buch Daniel (Kap. 4). Auch mit 1925 und 1975 lagen die Zeugen falsch.

Endzeitglaube bis zum Massenselbstmord

Die letzte apokalyptische Prophezeiung wagte der christliche Radioprediger Harold Camping für den 21. Oktober 2011: Es war mindestens das dritte Datum, das er verkündete, jedes Mal gaben etliche seiner Anhänger ihren Job auf. Andere gaben gar ihr Leben: Die höchste Opferzahl eines vermeintlichen Weltunterganges hat Jim Jones, Führer der Volkstempler, zu verantworten. 1978 begingen auf seine Anweisung 923 Sektenmitglieder in Jonestown (Guyana) Selbstmord.

Und was kommt nach 2012? Ein Untergang steht im Jahr 2076 bevor: Der muslimische Kalender erreicht dann 1500, ein apokalyptisches Jahr. jl/es

("Die Presse", Print-Ausgabe)

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