Italien: Der „Bürger-Krieg“ gegen Steuersünder

Steuersünder
Steuersünder(c) BilderBox com (BilderBox com)
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Trotz spektakulärer Aktionen zieht Italiens Finanzpolizei eine gemischte Jahresbilanz. Doch immer mehr Bürger sind bereit, Verdächtige bei der Polizei anzuzeigen.

Rom. Vor einem Jahr sollte eine neue Ära beginnen. Am 30. Dezember 2011 rückte Italiens Finanzpolizei aus, um in den Dolomiten den noblen Wintersportort Cortina d'Ampezzo nach allen Regeln der militärischen Kunst zu umzingeln. „Wir befinden uns im Krieg gegen die Steuerhinterziehung!“, sagte Regierungschef Mario Monti. Die Polizisten prüften jede Edelkarosse, sie filzten Uhren- und Juwelierläden, Modeboutiquen, teure Restaurants und Vielsternehotels.

Das Ergebnis: ein Desaster. Für viele Reiche und für die Geschäfte in Cortina. Deren Umsätze lagen – sieh an! – am nächsten Tag plötzlich viermal so hoch wie in all den Jahren zuvor. Und die Finanzpolizei wiederholte ihre Aktion des Erfolgs wegen mehrfach.

„Denunziationstelefon“ läuft heiß

Nach zwölf Monaten wird nun Bilanz gezogen. Und es zeigt sich: Zwar hat die Polizei 4500 Geschäfte wegen Steuerdelikten geschlossen; der „Krieg“ aber ist nicht gewonnen. Im Gegenteil. Die Quote der bei den Kontrollen registrierten, dem Finanzamt aber nicht gemeldeten Geschäftsumsätze ist von 24,8 auf 32,8 Prozent gestiegen. Das heißt: Ein Drittel dieser Einnahmen – im Mezzogiorno fast die Hälfte – lief am Fiskus vorbei. Jede fünfte Familie, schätzt die Behörde, lebt über ihre (deklarierten) Verhältnisse.

Es gibt aber auch eine für Italien ganz ungewöhnliche Nachricht: Immer mehr Bürger solidarisieren sich mit dem Staat. Bei der von der Finanzpolizei eigens für die Denunziation von Steuersündern eingerichteten Telefonnummer sind 2012 um 80 Prozent mehr Anrufe eingegangen als zuvor.

60.000 waren es insgesamt, und immer mehr Bürger verlassen die Anonymität: 60 Prozent trauen sich mittlerweile mit ihrem vollen Namen, Verdächtige zu nennen. Die amtliche Veröffentlichung prominenter Namen soll den Bürgern weitere Anreize geben. So teilten die Behörden mit, sie ermittelten gegen das Luxusduo Dolce und Gabbana: Die zwei Mode- und Parfümdesigner sollen eine Milliarde an Steuern hinterzogen haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2012)

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