Asteroidenabsturz über russischer Millionenstadt

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Über Tscheljabinsk im südlichen Ural platzte am Freitag ein Asteroid von etwa 15 Meter Größe mit der Energie einer größeren Atombombe. Es entstanden schwere Schäden, mehr als 1000 Menschen wurden verletzt.

Die Causa "Gefahr aus dem All" werde in der Öffentlichkeit unterschätzt, ja lächerlich gemacht, klagen Astronomen, Geologen oft, wenn es ums Thema Asteroiden- und Meteoriteneinschläge geht.  Seit Freitag ist die Öffentlichkeit eines Besseren belehrt worden: Über der Millionenstadt Tscheljabinsk im Ural, 1500 Kilometer östlich Moskau, stürzte ein großer Brocken aus dem All ab, begann in 30 bis 50 km Höhe zu zerbrechen, glühte auf (am stärksten in acht bis zehn km Höhe) und zog eine weiße Rauchspur über den Himmel. Durch die Druckwelle und Trümmer wurden viele Häuser beschädigt, vor allem brachen Fenster.

Rund 1200 Menschen wurden verletzt, meist durch Glassplitter, Tote gab es offenbar nicht. Das Ereignis geschah gegen 9.23 Uhr Ortszeit (4.23 Uhr MEZ). Astronomen schätzten das Objekt erst auf „einige Meter" und sprachen bloß von einem „Meteoroiden". Christian Köberl, Direktor des Naturhistorischen Museums in Wien und Experte für Einschlagsereignisse, sprach aber von 20 Meter Durchmesser, die Nasa später am Abend von 15, womit das Objekt als kleiner Asteroid gelten müsste: Diese Einstufung bestätigte später auch Detlef Koschny, Asteroidenexperte bei der Europäischen Weltraumagentur ESA.



Die Masse wurde zunächst auf „mehr als zehn Tonnen" geschätzt, die Nasa kam schon auf 7000 Tonnen. Laut Köberl dürfte es poröses Gestein gewesen sein, darum sei das Geschoß so spektakulär zerplatzt, mit der Kraft einer Atombombe von einigen hundert Kilotonnen Sprengkraft - die Hiroshima-Bombe hatte „nur" 13 bis 16 Kilotonnen Sprengkraft.

Ein historisches Bilddokument

Zahlreiche Menschen filmten den Vorgang, dabei entstand das obige Foto, das ein gewaltiges Feuer in der Absturzspur zeigt: Das Bild dürfte, wie Köberl und der Wiener Astronom Franz Kerschbaum bestätigen, von historischem Wert sein, weil es von Meteoren (so nennt man Leuchtphänomene bei abstürzenden Objekten) bei Tag viel weniger Bilder gibt als von nächtlichen Events und man nie zuvor eine so starke Feuerentwicklung sah. Größere Reste sollen in den See Tschebarkul gefallen sein. In der Stadt brach teilweise Panik aus. Der Gouverneur, Michail Jurewitsch, hielt es für vordringlich, die vielen kaputten Fenster zu reparieren: Es hat vor Ort derzeit um die 18 Grad minus.

Kein Zusammenhang mit Vorbeiflug

Mit dem Nahvorbeiflug des rund 50 Meter großen Asteroiden „2012 DA14", der am Freitagabend in kaum 28.000 Kilometer Höhe über dem Indischen Ozean vorbeizog (mehr dazu ...), dürfte der Tscheljabinsk-Asteroid nichts zu tun haben, sagen die Astronomen: Dieser sei auf einer gänzlich anderen Bahn geflogen.

Gewöhnliche Meteoroide (so heißen Objekte von maximal einigen Metern Größe, solange sie abstürzen, die Reste am Boden heißen „Meteorite") fallen etwa alle 30 Sekunden zur Erde. Das Gros ist winzig, bestenfalls fußballgroß, sie verglühen meist, zusammen mit kosmischem Staub wächst die Masse der Erde täglich um 100 bis 1000 Tonnen. Nur einige Dutzend bis vielleicht 500 Stück von handlicher Größe kommen pro Jahr zur Oberfläche, sie fallen meist ins Meer.

Seit Jahren wird nach Asteroiden gesucht, die gefährlich nahe kommen (man kennt etwa 9600), doch Objekte von der Größe desjenigen über Russland kann man kaum erkennen. Zur „Presse" sagt Köberl, dass 20-Meter-Brocken mehrmals pro Jahrhundert abstürzen. Zudem registrieren Satelliten mehrfach im Jahr Explosionen in der Höhe, die von metergroßen Objekten rühren und wie Kernwaffen wirken. Am Boden verursachten Meteoroide/Asteroiden in jüngerer Vergangenheit kaum Schäden. 1954 wurde eine Frau in Alabama (USA) von einem Vier-Kilo-Teil verletzt, das das Dach ihres Hauses durchschlagen hatte. Oktober 2006 setzte ein Meteorit ein Gartenhaus bei Bonn in Brand, ein Mann erlitt Brandverletzungen. 1490 fielen aber in China einem „Steinhagel" etwa 10.000 Menschen zum Opfer.

Die "Wasserstoffbombe" von 1908

Berühmt ist das „Tunguska-Ereignis" vom 30. Juni 1908, als ein etwa 50 Meter großes Ding über Zentralsibirien wie eine Wasserstoffbombe explodierte und in 30 km Umkreis alle Bäume knickte. In dem dünn besiedelten Gebiet starben, so viel man weiß, nur zwei Jäger, wobei noch in 65 km Entfernung alle Fenster brachen. Wäre das Objekt fünf Stunden später abgestürzt, hatte es die damalige Hauptstadt Sankt Petersburg zerstört und wohl den Lauf der Geschichte verändert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2013)

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