Tschechien: Hass auf Roma-Minderheit wächst

Symbolbild
Symbolbild(c) REUTERS (SUSANA VERA)
  • Drucken

Am Samstag wollen in Tschechien Rechtsextreme gegen Roma demonstrieren. Behörden schlagen Alarm: Immer mehr "normale Bürger" beteiligen sich an den Aufmärschen.

Prag. Alexandra Kinova wurde in Tschechien berühmt. Am 2. Juni brachte sie Fünflinge auf die Welt, die auf natürlichem Weg gezeugt worden waren. Doch aus der Sensation ist für die „Supermama“, wie der Boulevard sie nannte, längst ein Fluch geworden.

Die 23-Jährige ist Roma. Im Internet wurde sie übel angegriffen. Sie und ihr Partner hätten „absichtlich“ Fünflinge gezeugt, um so viel wie möglich Kindergeld und Sozialhilfe vom Staat beziehen zu können. So dreist solche Vorhaltungen sind, an Alexandra Kinova sind sie nicht spurlos vorbeigegangen. „Die Familie wird schon jetzt von der Polizei geschützt“, sagt Romana Fiserova, die die junge Mutter gegenüber den Medien vertritt.

„Kaum hatte das Fernsehen das Haus gezeigt, in dem sich die neue Wohnung befindet, hagelte es Briefe mit Drohungen, dass man die Familie dort töten werde.“ Die Familie mache sich wegen der rassistischen Schreiben erhebliche Sorgen. „Ich halte mich derzeit in der Wohnung auf. Wenn ich einen Verdächtigen in der Straße sehe, rufe ich sofort die Polizei“, ergänzt Fiserova. Wie heikel die Situation ist, zeigt auch, dass das Krankenhaus eine ursprünglich geplante Pressekonferenz vor der Entlassung der jungen Familie absagte. Die Gründe liegen auf der Hand.

„Tschechische Löwen“

Am Samstag wird sich Tschechien eines Falls erinnern, bei dem vor vier Jahren ein damals zweijähriges Roma-Mädchen aus dem nordmährischen Vitkov fast ums Leben gekommen ist. Mehrere halbwüchsige Tschechen hatten das Haus der Familie von Natalka mit Molotowcocktails beworfen. Natalka trug schwerste Verbrennungen davon, wurde wiederholt operiert und wird dennoch ihr Leben lang gezeichnet bleiben.

An diesem Samstag will niemand etwa der Tragik des Falls gedenken. In Vitkov haben sich Rechtsradikale angemeldet, um einen Marsch gegen Roma durchzuführen. Anführer der Rechten ist ein früheres exponiertes Mitglied der sogenannten „Arbeiterpartei“, die inzwischen verboten wurde. Die Mitglieder haben eine neue Gruppierung gegründet, die sich „Tschechische Löwen“ nennt, die seit Wochen solche Märsche organisiert. Am 17. August will sie erneut in Duchcov in Nordböhmen marschieren. Dort hatten sich die Rechtsextremen vor Wochen Straßenschlachten mit der Polizei geliefert, die verhinderte, dass die Radikalen in ein Roma-Wohnviertel eindrangen. Ähnliche Bilder gab es unter anderem auch zweimal aus dem südböhmischen České Budějovice (Budweis).

Das Problem sind nicht allein die jungen Rechtsradikalen. Wo immer die auftauchen, bekommen sie zunehmend Beifall von der Mehrheitsgesellschaft, die sich den Extremisten anschließen. In Budweis feuerten sie die Rechtsradikalen bei ihrer Straßenschlacht mit der Polizei an, wie man auf Videos sieht, die die Leute selbst stolz bei YouTube veröffentlichen.

„Gefährliche Situation“

Der tschechische Inlandsgeheimdienst BIS hat in seiner Auswertung über die Entwicklung der extremistischen Szene die Teilnahme der Mehrheitsgesellschaft an Anti-Roma-Aktionen als besonders gefährlich bezeichnet. Sie stelle ein größeres Problem dar als die Rechtsextremisten selbst und könnte die Sicherheit des Landes gefährden. Der BIS fordert ein rasches Vorgehen: Der dominante Teil der „normalen“ Tschechen bringe seine „Unzufriedenheit“ darüber zum Ausdruck, dass die Probleme, die es mit der Roma-Minderheit gibt, nicht ausreichend gelöst würden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolbild
Weltjournal

Mauer vor Roma-Siedlung errichtet

Im slowakischen Košice werden Roma von der Mehrheitsbevölkerung abgetrennt.
Far-right Czech activists shout as they march in protest against Roma minority in Plzen
Außenpolitik

Krawalle bei Roma-Protesten in Tschechien

Die Polizei setzte Tränengas ein, um die Rechtsextremen von einer Roma-Siedlung fernzuhalten. Es gab dutzende Festnahmen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.