Rumänien: Rechtsradikale Hilfe für Straßenhunde

Rumaenien Rechtsradikale Hilfe fuer
Rumaenien Rechtsradikale Hilfe fuer(c) EPA (ROBERT GHEMENT)
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Die Regierung will streunende Hunde einschläfern lassen, nachdem ein Bub zu Tode gebissen wurde. Tierschützer protestieren – unterstützt vom Nationalisten Tudor.

Belgrad/Bukarest. Ein Parlamentsbeschluss im fernen Rumänien lässt die Vierbeinerlobby auf dem ganzen Kontinent entsetzt aufheulen. Seit die Abgeordneten mit überwältigender Mehrheit vergangene Woche der Einschläferung herrenloser Straßenhunde zugestimmt haben, werden Redaktionen, Korrespondenten, Websites und Onlineforen mit wütenden Protestschreiben empörter Tierschützer überschwemmt. Als Kronzeugen gegen den geplanten „Massenmord“ führen die Hundefreunde jedoch ausgerechnet eine berüchtigte rumänische „Skandalnudel“ auf: Der rechtsextreme Europaabgeordnete Corneliu Vadim Tudor behauptet, dass der Beschluss zur Hundetötung einen Pädophilieskandal decken solle.

Ausgelöst hatte den Parlamentsbeschluss der Tod eines von Hunden zerfleischten vierjährigen Buben in einem Bukarester Park Anfang September. Es war nicht die erste tödliche Bissattacke von Straßenhunden in Rumäniens Hauptstadt. Das Land bekommt das Problem wilder Straßenhunde nicht in den Griff: Allein in Bukarest ist die Zahl herrenloser Straßenhunde auf 65.000 geklettert. Täglich werden in der Metropole Dutzende von Menschen gebissen.

„Vertuschter Pädophilenmord“

Tudor, langjähriger Chef der Großrumänischen Partei (PRM), sagte nun, er habe in Geheimdienstkreisen „gehört“, dass der Bub von einem Pädophilen missbraucht, ermordet und danach den Hunden vorgeworfen worden sei. Er könne zwar nicht sicher sagen, ob er recht habe. Er wolle nur wiedergeben, was man sich in Geheimdienstkreisen erzähle.

Seine Schauergeschichte zum Hundemord hat dem Populisten dank der Tierschützer zumindest auf westeuropäischen Internetforen ein Comeback beschert. In seiner Heimat findet der Holocaust-Leugner schon seit Jahren kaum mehr Gehör. Bereits zu Zeiten des von ihm angehimmelten Ex-Diktators Nicolae Ceausescu hatte sich der Soziologe mit der engen Bande zum Geheimdienst Securitate eher als „Dichter“ denn als Journalist verstanden.

Nach dem Fall seines einstigen Idols gründete der bis dahin bei Staatsmedien arbeitende Publizist 1990 das nationalistische Magazin „Großrumänien“, in dem er seine nostalgische Sehnsucht nach dem guten alten Sozialismus mit homophoben, rassistischen und antisemitischen Thesen zu würzen pflegte. 1991 hob Tudor schließlich die PRM aus der Taufe. Zunächst unterstützte der Parteineuling die damals regierenden Postkommunisten, bevor er Mitte der 1990er-Jahre auf einen ultranationalistischen Kurs umschwenkte: Die Partei macht sich für ein Rumänien in den Grenzen der Zwischenkriegsjahre, inklusive Moldawien, stark, ficht gegen Roma-Überfremdung – und negiert den Massenmord an den rumänischen Juden zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs.

Bei den Wahlen 2008 rutschte die Partei jedoch aus dem Parlament und scheiterte auch 2012 klar mit nur 1,4 Prozent der Stimmen an der Fünfprozenthürde. Tudor hatte sich dank der niedrigen Wahlbeteiligung bei den letzten Europawahlen allerdings bereits rechtzeitig einen Versorgungsposten gesichert: Seit 2009 ist er Europaabgeordneter in Brüssel. Den Niedergang der Partei lasten seine Gesinnungsgenossen allerdings auch ihrem Gründer an: Ende 2012 schlossen sie Tudor darum aus ihren Reihen aus.

Seine Straßenhundeoffensive werten Beobachter als Versuch Tudors, wieder etwas Aufmerksamkeit zu erhaschen. Er wolle sich mit dem emotional aufgeladenen Hundethema „neu profilieren“, so ein Beobachter: „In Rumänien nimmt ihn schon lange kein normaler Mensch mehr ernst.“

Auf einen Blick

Ein vierjähriger Bub wurde Anfang September in einem Bukarester Park von einem Straßenhund zu Tode gebissen. Nach Schätzungen der Behörden leben etwa 65.000 Straßenhunde allein in Bukarest, jedes Jahr kommt es zu tausenden Bissattacken. Das Parlament beschloss, die Straßenhunde einschläfern zu lassen. Ein empörter Aufschrei der Tierschützer folgte. Unterstützung erhalten sie vom rechtsradikalen Corneliu Vadim Tudor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2013)

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