Lampedusa: Flüchtlingsboot gekippt, Dutzende Tote

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Zahlreiche Frauen und Kinder kamen bei dem Unglück ums Leben. Etwa 200 Menschen konnten gerettet werden. Nach einem neuerlichen Vorfall mussten weitere 430 Migranten evakuiert werden.

Acht Tage nach einer Flüchtlingstragödie vor Lampedusa mit über 300 Toten, ist es vor der süditalienischen Mittelmeerinsel erneut zu einem Drama gekommen: Ein Flüchtlingsboot mit 250 Menschen (darunter mehrere Syrer) an Bord ist 70 Seemeilen südöstlich von Lampedusa in Seenot geraten und umgekippt. Laut italienischen Medienberichten sollen rund 50 Menschen, darunter zehn Kinder und mehrere Frauen, ums Leben gekommen sein. 34 Leichen konnten geborgen werden, 22 davon wurden auf Lampedusa gebracht. Etwa 206 Flüchtlinge konnten gerettet werden.

Am Samstag kam es zu einer neuerlichen Tragödie. Vier Boote mir rund 430 Personen an Bord wurden von der italienischen Marine evakuiert. Die Migranten wurden unter anderem an Bord der beiden Schiffe der italienischen Marine genommen, die am Freitag die Überlebenden des gekenterten Bootes in maltesischen Gewässern gerettet hatten.

Schwanken des Bootes löste Panik aus

Das Flüchtlingsboot kenterte, nachdem die Migranten ein maltesisches Flugzeug gesichtet hatten. Die Flüchtlinge hatten sich auf einer Seite des Bootes zusammengedrängt, um das Militärflugzeug auf sich aufmerksam zu machen. Angeblich konnten sie auch einen Notruf per Satellitentelefon absetzen. Das Boot geriet dabei ins Schwanken, was Panik unter den Migranten auslöste. Mehrere Flüchtlinge fielen ins Wasser, das Boot kenterte.

Schiffe der italienischen Marine, die bei der Bergung der Leichen im Einsatz waren, retteten indes ein weiteres Boot mit rund 100 Migranten an Bord, das um Hilfe gebeten hatte. Das Schlauchboot befand sich nach Angaben der italienischen Küstenwache 84 Seemeilen südöstlich von Lampedusa. Starke Winde und raue See erschwerten die Rettungsarbeiten.

Papst erschüttert

Der Papst hat erschüttert auf das Flüchtlingsdrama reagiert. "Herr, sei barmherzig. Zu oft werden wir wegen unserem bequemen Leben blind und sehen nicht diejenigen, die neben uns sterben", schrieb Franziskus auf Twitter. Erst im Juli hatte der Pontifex Lampedusa besucht und die internationale Öffentlichkeit zu einschneidenden Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration aufgerufen.

Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon will die Ursachen bekämpft wissen. Er rufe alle Staaten auf, solche Tragödien in Zukunft zu verhindern, hieß es am Samstag in New York. "Das heißt auch, dass es Maßnahmen gegen die Ursachen des Problems geben muss und, dass die Verwundbarkeit und die Menschenrechte der Migranten ins Zentrum der Antwort stehen müssen."

Malmström fürmehr Ressourcen für Frontex

Der italienische Premier Enrico Letta zeigte sich über die neue Flüchtlingstragödie bestürzt. Diese bestätige, dass Europa dringend Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Flüchtlingsströme im Mittelmeerraum ergreifen müsse. Letta telefonierte mit seinem maltesischen Amtskollegen Joseph Muscat. Dieser dankte Italien für die Unterstützung zur Rettung der Überlebenden des Flüchtlingsunglücks. Letta telefonierte nach dem neuen Flüchtlingsdrama auch mit EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy, den er zur Ergreifung von europäischer Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung aufrief.

Mit "Trauer und Sorge" hat auch EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Freitagabend die Rettungsoperationen nach dem erneuten Unglück eines Flüchtlingsbootes vor Lampedusa verfolgt. "Diese erneuten schrecklichen Ereignisse geschehen, während wir noch die Tragödie von Lampedusa vor Augen haben", erklärte Malmström in einer in Brüssel veröffentlichten Mitteilung.

Malmström appellierte an die EU-Staaten, schnell mehr Ressourcen für die europäische Grenzschutzagentur Frontex zur Verfügung zu stellen. Diese seien nötig, um im Mittelmeer in Seenot geratenen Booten Hilfe zu leisten. Am Vortag hatte das Europaparlament eine schärfere Überwachung der südlichen Außengrenzen der EU beschlossen.

(APA)

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