Frankreich: Darf Lampert sterben?

Doctor Eric Kariger speaks to journalists about the case of Vincent Lambert, who is tetraplegic and currently on artificial life support, after a judicial hearing at the Council of State in Paris
Doctor Eric Kariger speaks to journalists about the case of Vincent Lambert, who is tetraplegic and currently on artificial life support, after a judicial hearing at the Council of State in ParisReuters
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Tragischer Rechtsfall um einen Schwerstbehinderten, dessen Frau ihn sterben lassen möchte.

Paris. In Belgien wurde am Donnerstag die aktive Sterbehilfe für Kinder erlaubt; im Nachbarland Frankreich ist ein tragischer Einzelfall zum Testfall für die politische und ethische Debatte über Sterbehilfe geworden: Das Oberste Verwaltungsgericht in Paris musste am Freitag darüber befinden, ob Vincent Lambert, ein schwerbehinderter 38-Jähriger, sterben darf oder nicht. Doch das Gericht verwies die Entscheidung vorerst an die Ärzte zurück: Eine neue Expertise müsse beweisen, dass Lambert in unheilbarem Zustand sei. Dann erst dürfe er „gehen“.

Lambert hatte vor fünf Jahren einen Motorradunfall erlitten; seither ist er Tetraplegiker – also infolge eines Bruchs der Halswirbelsäule an allen vier Gliedmaßen gelähmt – und befindet sich im Koma. Seine Ärzte in der ostfranzösischen Stadt Reims wollten die lebensverlängernden Maßnahmen einstellen. Da sich der Patient aber nicht äußern kann und keine Patientenverfügung vorliegt, erklärte seine Frau, dass passive Sterbehilfe im Sinne ihres Mannes sei. Doch da legten sich die Eltern des 38-Jährigen aus religiösen Gründen quer und setzten alle Rechtsmittel ein. Der Fall landete vor dem Obersten Verwaltungsgericht.

Es geht in diesem Streit rechtlich gesehen um ein Gesetz von 2005, das unheilbar Kranken das Recht einräumt, jede Therapie abzulehnen, die nur ihr Leiden unnötig verlängert, und zur Linderung Schmerzmittel zu verlangen, auch wenn diese das Ableben beschleunigen sollten. Aktive medizinische Hilfe zum Suizid ist nicht erlaubt. Unter anderem ist nun fraglich, ob und wem diese Rechte des Patienten ersatzweise zustehen, falls dieser sich selbst nicht, wie in diesem Fall, äußern kann.

Vor „Todesurteil“ der Ärzte

Längst ist klar, dass das Gesetz inadäquat ist. Die Regierung hat ein neues angekündigt, zögert es aber aufgrund wachsenden Drucks konservativer Kreise hinaus. Die Staatsführung hatte im Fall Lambert auf ein klares Präzedenzurteil der Justiz gehofft. Doch diese gibt in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht die Verantwortung de facto an die Mediziner zurück: Diese werden, wie zu erwarten ist, Lambert für unheilbar befinden. (r.b.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2014)

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