Chile: Fluchtwelle nach Seebeben

Chile, Beben, Tsunami
Chile, Beben, Tsunami(c) APA/EPA/STR (STR)
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Mehr als 900.000 Menschen verließen in der Nacht auf Mittwoch nach einem mächtigen Beben die Küstengebiete. Groß-Tsunami blieb aus.

Iquique/Santiago de Chile. Das schwere Seebeben der Stärke 8,2 nach Richter, das in der Nacht auf Mittwoch den Pazifik vor Nordchile und Südperu sowie die Küstengebiete erschüttert hat, ist zwar recht glimpflich verlaufen: Befürchtungen eines massiven Tsunamis haben sich binnen Stunden verflüchtigt, wenngleich mancherorts bis zu drei Meter hohe Wellen ans Ufer brachen. Tsunami-Opfer wurden vorerst keine bekannt, allerdings starben in Chile mindestens sechs Menschen bei Hauseinstürzen und an Herzinfarkten ob des Schreckens.

In den vorwiegend betroffenen Wüstenregionen um Iquique und Arica, in denen der Notstand ausgerufen wurde, ging es aber drunter und drüber: In Iquique (190.000 Menschen), Zentrum von Chiles Kupferindustrie, fielen Wasser- und Stromversorgung aus, der Tower des Flughafens wurde beschädigt, der Flugverkehr unterbrochen.

Flucht aus Frauengefängnis

Aus einem Frauengefängnis brachen rund 300 Häftlinge aus, etwa 40 wurden bisher wieder festgenommen, berichtete die Zeitung „La Tercera“. In mehreren Städten gab es Plünderungsversuche, Militäreinheiten rückten aus, aus Santiago wurden Polizisten zur Verstärkung in den Norden verlegt.

Aus vielen Häfen an der langen Küste (das Land erstreckt sich über 4300 Kilometer in Nord-Süd-Richtung) fuhren Schiffe nach den Erdstößen aufs Meer, darunter die der Kriegsflotte aus dem Marinehafen von Valparaíso. Tsunami-Wellen bauen sich nämlich erst unmittelbar vor der Küste auf, auf offener See ist davon kaum etwas zu spüren. Vor allem wurden weite Abschnitte der Küste evakuiert: Man habe mehr als 900.000 Menschen ins Landesinnere gebracht, hieß es seitens der Katastrophenschutzbehörden. Insgesamt gesehen habe es keine große Zerstörung gegeben, sagte Ricardo Toro, Chef der Katastrophenschutzbehörde, nach ei-nem Bericht des Radisosenders Bio Bio in einer ersten Einschätzung.

Das Hypozentrum des mächtigen Bebens lag laut Seismologen rund 100 Kilometer vor Iquique etwa 39 Kilometer in der Tiefe. Auch in Peru und Ecuador hatte es Tsunami-Alarm gegeben, erhöhte Wachsamkeit war in einigen Ländern wie Kolumbien, Nicaragua und Panama ausgerufen worden.

Die Erdkruste vor Chile zählt zu den tektonisch aktivsten Orten der Erde, hier trifft die Nazca-Kontinentalplatte mit etwa sieben Zentimetern pro Jahr von Westen auf die Südamerikanische Platte; das war genug, um im Lauf der Jahrmillionen die Anden aufzufalten.

Rekordbeben von 1960

2010 starben mehr als 500 Menschen im Süden Chiles, nachdem ein Beben der Stärke 8,8 einen Tsunami erzeugt hatte. Im Mai 1960 sind mehr als 1600, vielleicht gar 6000 Menschen umgekommen. Betroffen war Südchile, das auslösende Seebeben war mit einer Stärke von 9,5 das stärkste, das man bis heute gemessen hat, und ist als „Großes Beben von Valdivia“ bekannt. (wg/ag.)

Lexikon

Südamerikas Westküste ist eine der tektonisch aktivsten Regionen der Welt. Hier stößt vor allem die Nazca-Platte mit etwa sieben Zentimetern im Jahr auf die Südamerikanische Platte, was zu vielen Beben (ihre Epizentren sind meist vor der Küste) führt. Das stärkste bekannte Beben war im Mai 1960 vor Südchile: Es erreichte 9,5 auf der Richterskala.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2014)

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