Zehntausende Chinesen legen Schuhfabrik lahm

Streik. Arbeiter in der Stadt Gaobu protestieren gegen niedrige Löhne. Die Firma beliefert auch Adidas und Nike.

Peking. Zu Streiks und Arbeitsniederlegungen kommt es in der südchinesischen Provinz Guangdong immer wieder. Vor allem am Perlflussdelta vor Hongkong – wegen seiner vielen Textilfabriken und Betriebe von Konsumartikeln auch bekannt als „Werkbank der Welt“– ist der Unmut der Arbeiter groß über die zu niedrigen Löhne und schlechten Arbeitsbedingungen. Doch einen so langen Ausstand wie derzeit beim Schuh- und Sportartikelhersteller Yue Yuen Industrial gab es in der Region schon lange nicht mehr.

Yue Yuen ist der weltgrößte Zulieferer für Sportartikel – er beliefert unter anderem Adidas und Nike. Seit elf Tagen legen tausende von Arbeiterinnen und Arbeitern in der südchinesischen Stadt Gaobu den Betrieb lahm. Die in New York ansässige unabhängige Arbeiterorganisation China Labor Watch (CLW) spricht gar von „Zehntausenden“. Auch am Mittwoch blockierten Arbeiter Zufahrtsstraßen zum Fabrikgelände, hielten Mahnwachen ab und marschierten durchs nahe gelegene Stadtzentrum. Sie fordern höhere Löhne und bessere Sozialleistungen und protestieren gegen unfaire Bedingungen in den Arbeitsverträgen. CLW untersuchte in den vergangenen zehn Jahren mehr als 400 Fabriken in China. Kein einziger Betrieb habe seinen Arbeitern vollständig alle Sozialbeiträge geleistet, zu denen er eigentlich verpflichtet ist, kritisiert die Organisation.

Streikende kapern Bus

Auf Bildern in sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie die Streikenden sogar einen Bus kaperten und ihn quer auf eine Kreuzung stellten. Zu Ausschreitungen ist es nach Angaben der örtlichen Stadtverwaltung bisher nicht gekommen. „Alle Seiten verhalten sich besonnen“, heißt es. Die Stadt hat trotzdem hunderte Polizisten auf dem Fabrikgelände stationiert, einige mit Schilden und Schäferhunden. Die Firmenzentrale hatte am Dienstag den Streikenden auch schon ein Angebot gemacht und zugesagt, ab dem 1.Mai die Sozialleistungen deutlich anzuheben. Doch die Arbeiter gaben sich damit nicht zufrieden. „Die Firma betrügt uns schon seit zehn Jahren“, wird eine Mitarbeiterin zitiert. Sie beschwerte sich auch über das örtliche Arbeitsamt, die Sozialversicherung und die Verwaltung der Stadt Gaobu. „Sie alle zusammen betrügen uns“, schimpft sie.

Obwohl Streiks und Demonstrationen in der Volksrepublik selten genehmigt werden, kommt es landesweit dennoch immer wieder zu Protesten. Sie richten sich meistens gegen schlechte Arbeitsbedingungen, zu niedrige Löhne oder miserable Umweltbedingungen. Solange sich die Streikenden nicht organisieren oder gar landesweit vernetzen, lassen die chinesischen Behörden Proteste zu.

Die Zentralregierung in Peking hat dazu zwar keine konkreten Bestimmungen erlassen und meidet das Themenfeld auch. Die meisten Proteste werden in den staatlich kontrollierten Medien verschwiegen. Zugleich sieht die chinesische Führung darin ein Mittel, Behördenwillkür und Korruption anzuprangern und örtliche Machthaber unter Druck zu setzen. Peking ist zudem daran interessiert, dass die Löhne in der Region steigen. Bisher dominierte am Perlflussdelta die Textil- und Leichtindustrie. Die chinesische Führung möchte aber, dass sich dort mehr Hightech-Industrie entwickelt. Das Perlflussdelta befindet sich in seinem größten industriellen Umstrukturierungsprozess seit mehr als 20 Jahren.

Keine Lieferengpässe

Die Firmenleitung von Nike war zu keiner Stellungnahme bereit. Adidas erklärte lediglich, dass man den Konflikt beobachte, und bestätigte, der Mutterkonzern von Yue Yuen, die Pou Chen Group, befinde sich in Gesprächen mit der örtlichen Regierung. Zu Lieferengpässen werde es für Adidas aber nicht kommen. Immerhin würde der deutsche Konzern bei weltweit über 1000 Zulieferern produzieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2014)

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