Disput um heilige Gebeine

Papst Johannes Paul II. gab der orthodoxen Kirche die Reliquien zweier Heiliger zurück. Ein Akt, der nicht ohne Dissonanzen ablief.

ROM. Eigentlich wollte Papst Johannes Paul II. mit den Urnen aus Alabaster persönlich nach Istanbul fliegen; die gesundheitliche Schwäche des 84-Jährigen und die Angst vor Terroranschlägen verhinderten aber diese symbolträchtige Reise. Dafür kam das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche in den Vatikan: Patriarch Bartholomäus I., 64 Jahre alt, genannt "von Konstantinopel".

Bartholomäus kam, um die Überreste zweier seiner Vorgänger abzuholen: die Heiligen Gregor von Nazianz (330-390) und Johannes Chrysostomus (354-407) gelten als große Theologen und Kirchenväter. Ihre Gebeine lagen bisher im Petersdom zu Rom, und da, befand Bartholomäus, gehörten sie nicht hin. Sie seien der Ostkirche geraubt worden, als das west-christliche Kreuzzugsheer im Jahr 1204 Konstantinopel verwüstete. Zum 800. Jahrestag dieser welthistorischen Kulturbarbarei ersten Ranges verlangte Bartholomäus im Sommer die Rückgabe seiner Heiligen. Der Papst willigte ein.

Denn das Verhältnis zur griechischen Orthodoxie ist seit der ersten Begegnung zwischen einem Papst und einem Patriarchen im Jahre 1964 kirchenpolitisch entspannt. Jedoch verzichtete Bartholomäus I. selbst beim feierlichen Reliquien-Gottesdienst am Samstag im Petersdom nicht darauf, bleibende Auffassungsunterschiede herauszustreichen.

Während der Papst nur von einer "Rückkehr", einer "Umbettung", einer "Übergabe" der Reliquien sprach, verwendete Bartholomäus im Petersdom mehrfach das Wort "Rückerstattung": Mit diesem "heiligen Akt" werde "eine Anomalie und eine kirchliche Ungerechtigkeit wiedergutgemacht"; die "Reliquien kommen an den Ort zurück, an den sie gehören".

Das veranlasste den Sprecher des Vatikans, Joaquin Navarro-Valls, sofort zu einer gemessen an diplomatischen Gebräuchen höchst drastischen Distanzierung. Als "historisch ungenau" bezeichnet Navarro-Valls die Darstellung des Patriarchen vom "Raub" der Gebeine. Zumindest Gregor sei "nicht erst 1204, sondern schon im achten Jahrhundert nach Rom gebracht worden, um ihn vor den Bilderstürmern (in Konstantinopel, Anm.) in Sicherheit zu bringen". Das heißt: diese Gebeine sind nicht geraubt, sondern vielmehr gerettet worden.

Daher handle es sich laut dem Papst-Sprecher auch "um eine Rückkehr, nicht um eine Rückerstattung" der Heiligen; es sei weder eine "Wiedergutmachung" noch eine "Vergebungsbitte des Papstes", sondern nur "eine Geste" von "großer kirchlicher Bedeutung". Und durch die Blume macht der Sprecher des Papstes auch noch deutlich, dass die Reliquien gar nicht nach Konstantinopel "gehören": "Die beiden Heiligen werden in Ost und West gleichermaßen verehrt."

Dabei hatte man kurz vorher noch so schön gemeinsam gefeiert.

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