Müllkrise: „800 Kilometer von Neapel entfernt“

(c) EPA (Ciro Fusco)
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Italien. Der Tourismus bangt in Zeiten der Müllkrise. Die PR-Maschine läuft.

Rom.Nicht nur im müllgeplagten Neapel ist es derzeit leicht, ein Zimmer zu bekommen. Auch Venedig, obwohl dort der weltberühmte Karneval tobt, ist vom klassischen „Ausgebucht!“ weit entfernt. Und für den Sommer erwarten Venetiens Tourismusmanager offenbar das Schlimmste.

Denn sie haben jetzt Briefe ausgeschickt, an die deutschen Touristen als ihre angestammten Hauptkunden, die so gerne an den Adriastränden von Jesole, Cáorle, Bibione braten: „Bei uns gibt es kein Problem mit dem Müll! Ferien bei uns sind umweltverträglich!“, steht in dem Schreiben.

Marco Michielli vom regionalen Verband Confturismo fügt hinzu: „Wir wollen den Müll nicht für unsere Zwecke instrumentalisieren. Aber von Neapel trennen uns 800 Kilometer. Und wir wenden uns dagegen, dass ausländische Medien die Müllfotos aus Kampanien mit dem Bild von Italien als Tourismusland zusammenbringen.“

Neapel natürlich schäumt gegen Venetiens „Werbekampagne auf unsere Kosten“. Bürgermeisterin Rosa Russo Jervolino wettert, der Norden verdanke seine eigene Sauberkeit nicht immer legalen Mitteln: „Es sind Unternehmer aus Venetien dafür verurteilt worden, dass sie giftigen Sondermüll illegal zu uns nach Kampanien haben liefern lassen.“

Beschmutztes Image

70 Millionen Euro Schaden macht Kampaniens Tourismus-„Minister“ Marco di Lello für seine Region jetzt schon geltend. Die Müllkrise und das durch sie beschmutzte Image im Ausland hätten 100.000 Gäste von einer Reise in die Region abgehalten und 410.000 Übernachtungen gekostet. „Tausende von Absagen“ gebe es bereits für die Osterfeiertage, heißt es in Kampanien.

150 Bürgermeister aus der Region demonstrierten neulich in Neapel: In ihren Dörfern sei alles sauber, Kampanien sei also nicht gleich Kampanien. Sogar die Veneter geben zu: „99 Prozent Italiens“ seien von der Müllkrise gar nicht betroffen. Besteht also, generell betrachtet, doch keine Gefahr für den Tourismus? Italien hat zwei gute Jahre hinter sich. 5,7 Prozent Wachstum 2006, weitere 6,2 bis 7 Prozent Plus im vergangenen Jahr. Die Bilanzen sind noch nicht bis auf die letzte Kommastelle fertig, aber schon jetzt gilt 2007 als Rekordjahr. Die Deutschen stellen dabei mit zuletzt knapp 21 Prozent der Übernachtungen die absolut größte Touristenmasse in Italien; sie lassen außerdem viel mehr Geld im Land als alle anderen.

Italiens vielfältige Tourismus-Institutionen glauben nicht an Notstands- oder gar Katastrophenszenarien. Nur beim „industriell“ ausgerichteten Verband Federturismo in Rom befürchtet man, die Müllbilder aus Kampanien könnten zu einem Rückgang führen. Vor allem die Tatsache, dass Italien nicht an einem Strang ziehe – siehe den Clinch Venetien-Neapel – sei „alles andere als förderlich“, heißt es.

Polit-Krisen schaden nicht

Roberto Ruozi, Präsident des traditionsreichen Italienischen Touring-Clubs, prophezeit, der Zustrom deutscher und anderer europäischer Touristen werde 2008 weiter zunehmen. Politische Krisen, wie das Land sie jetzt erlebe, hätten noch nie geschadet: „Im Gegenteil: Die Wechselhaftigkeit unserer Politik trägt dazu bei, dass das Land sichtbar bleibt, vor allem in internationalen Medien, und dass man über Italien spricht.“

Und die Müllberge in Kampanien? „Sehr kritisch für das Bild Italiens“, gibt Ruozi zu. Die negativen Einflüsse auf den Tourismus jedoch hielten sich wahrscheinlich in Grenzen, „sobald die Aufmerksamkeit der Medien einmal nachlässt und man langsam zur Normalität zurückkehrt. Auch Notlagen anderer Länder – Kriege, Seuchen, Terroranschläge – haben den Tourismus nicht besonders lange Zeit beeinträchtigt.“

POSITIVE BILANZ

Italiens Tourismus hat zwei gute Jahre hinter sich. 5,7 Prozent Wachstum 2006, weitere 6,2 bis 7 % Plus im letzten Jahr. 2007 gilt schon jetzt als Rekordjahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2008)

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