Gewerkschaft zu Grubenunglück: "Programmiertes Massaker"

Reuters
  • Drucken

Gewerkschaft DISK kritisiert die hohe Zahl an Leiharbeitern. Der Betreiber der Ungklücksmine senkte nach Übernahme Abbaukosten von 130 Dollar auf knapp 24 Dollar pro Tonne.

Das größte Bergbauunglück in der Geschichte der Türkei forderte über 200 Tote. Türkische Gewerkschaftsvertreter sehen die Privatisierung des Kohleabbaus als Mitauslöser der Katastrophe.

Türkische Gewerkschaftsvertreter sprechen von einem programmierten "Massaker". Das Unternehmen beschäftige eine große Zahl an Leiharbeitern um die Lohnkosten gering zu halten, erklärte der Chef der linken Gewerkschaft DISK, Kani Beko heute gegenüber türkischen Medien.

Die Homepage des Bergbauunternehmens Soma Holding ist seit gestern Abend unerreichbar. In einem Statement erklärte das Unternehmen gestern, "der Unfall passierte trotz höchster Sicherheitsmaßnahmen und ständiger Kontrollen". Eine Untersuchung des Unglücks sei eingeleitet worden, heißt es dort.

Die 1984 als Soma Kömür A.S. gegründete Gesellschaft betreibt die Mine seit 30 Jahren. Soma Holding ist mit 5,5 Millionen Tonnen Jahresproduktion einer der größten Kohleproduzenten der Türkei. In dem Bergwerk in der Provinz Manisa werden monatlich an die 250.000 Tonnen Kohle abgebaut. Soma Holding beschäftigt an die 5.500 Minenarbeiter in ihrem Werk in Soma. Vertreter des Unternehmens sind Medienangaben zufolge nicht erreichbar.

Kosten für den Kohleabbau durch private Betreiber massiv reduziert

Wie der Vorstandsvorsitzende der Soma Holding, Alp Gürkan, in einem vor zwei Jahren geführten Interview mit der Zeitung "Hürriyet" betonte, hätten sich die Kosten für den Kohleabbau durch private Betreiber massiv reduziert. So habe sein Unternehmen als Betreiber der Mine die durchschnittlichen Abbaukosten von 130 bis 140 Dollar pro Tonne auf 23,8 Dollar senken können.

Möglich sei dies dadurch geworden, weil das Unternehmen die elektrischen Transformatoren nicht importiere sondern selbst herstelle. Zudem würden Leiharbeiter über Subunternehmer angeheuert. Sie seien billiger als Arbeiter, die sich in der Kohlegewerkschaft Maden-Is organisiert hätten.

Türkische Gewerkschaften beklagen seit Jahren, dass die Regierung die Betreiber privater Minen zu wenig kontrolliert. Es herrsche eine jahrelange Praxis der Beschäftigung von nicht ausreichend eingeschulten Arbeitern, die über Subunternehmer angeheuert würden.

Die staatliche Sozialversicherungsgesellschaft SGK will ebenfalls eine Untersuchung einleiten. Unter den Toten soll sich ein 15-Jähriger befinden. Unter Tage dürfen aber laut Gesetz nur über 18-jährige Männer arbeiten.

In der Türkei wurden nach Angaben des Energieministeriums im Jahr 2012 rund 78 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut. Der Bergbau ist auch die Branche mit der höchsten Unfallrate. Mehr als zehn Prozent aller Arbeitsunfälle in der Türkei haben im Vorjahr den Kohleabbau betroffen. Seit 1941 sind mehr als 3.000 Minenarbeiter bei Unglücken ums Leben gekommen.

Im Jahr 2008 haben für den Abbau einer Million Tonne Kohle rechnerisch gesehen 7,22 Menschen ihr Leben verloren, so das türkische Wirtschaftsforschungsinstitut TEPAV. Die Zahl ist seit 2004, wo die Todesrate bei 5,14 lag, wieder im Steigen begriffen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Angehörige trauern um die verstorbenen Bergleute in Soma.
Weltjournal

Grubenunglück in Soma: Verfahren wegen fahrlässiger Tötung

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen fünf Beschuldigte. Die unter Druck geratene türkische Regierung kündigte bessere Sicherheitsvorkehrungen in Bergwerken an.
Weltjournal

Erdoğan mauert nach Grubenunglück

Die Regierung will jede Debatte über Mitverantwortung bei größter Industriekatastrophe der türkischen Geschichte verhindern. Die Justiz geht nun gegen Manager der Betreiberfirma vor.
Die Polizei riegelte das Bergwerk in Soma nach dem Einstellen der Suchaktion ab.
Weltjournal

Türkei: Mehrere Bergwerksmanager festgenommen

Am Wochenende wurden die letzten der insgesamt 301 Opfer geborgen. Das Bergwerk in Soma wurde aus Furcht vor neuen Protesten teilweise abgeriegelt.
TURKEY MINE EXPLOSION AFTERMATH
Weltjournal

Türkische Regierung erklärt Suche nach Kumpel für beendet

Insgesamt wurden nach dem Bergwerksunglück in der Türkei 301 Todesopfer geborgen. Ein Feuer hatte die Sucharbeiten zuvor verzögert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.