China baut künstliche Insel im Südchinesischen Meer

Chinesische Baustelle im Meer
Chinesische Baustelle im Meernhjd.net
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Im von mehreren Staaten beanspruchten Archipel der Spratly-Inseln formt China ein Korallenriff zu einer "richtigen" Insel samt Flugplatz um. Vor allem die Philippinen und Vietnam sind empört, die dasselbe Eiland für sich fordern.

In den mittlerweile Jahrzehnte andauernden Gebietsstreitigkeiten zwischen den Anrainerstaaten des Südchinesischen Meers, die zuletzt zwischen China und Vietnam wegen einer chinesischen Ölbohrinsel eskalierten, schafft die mächtige Volksrepublik einfach neue Fakten: Ein kleines Riff der Spratly-Inseln, einer weit verstreuten Inselgruppe im Süden des Südchinesischen Meers, wird von den Chinesen zu einer "richtigen" Insel mit diversen Befestigungen ausgebaut und dürfte sogar Standort einer Flugpiste werden. Damit etabliert China seine Position in der Region weiter, sehr zum Ärger der Nachbarn dort.

Tatsächlich belegen Satellitenbilder des europäischen Airbus-Konzerns, die die philippinische Regierung vor wenigen Tagen publiziert hat, dass spätestens seit Februar 2013 an dem Projekt gearbeitet wird; auch Fotos von Aufklärungsflugzeugen beweisen das. Aus dem Außenministerium in Manila gab es Protest: Der Bau und der damit wohl verbundene Ausbau der chinesischen Militärpräsenz wird als Bedrohung der regionalen Stabilität und Verletzung einer Art Stillhalteabkommen aus dem Jahr 2002 gesehen.

In der philippinischen Wirtschaftszone

Vor allem aber liegt das Riff etwa 350 Kilometer vor der Küste der nächsten großen philippinischen Insel, Palawan, und ist demnach laut Internationalem Seerecht im Bereich der Ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen; diese haben demnach die exklusiven Nutzungsrechte über die dortigen Bodenschätze und Meeresresourcen und betrachten das Riff als philippinisches Gebiet.

Schauplatz ist konkret das Johnson South Reef, eine in etwa nierenförmige unterseeische Erhebung aus Kalkgestein, die auch bei Ebbe größtenteils knapp unter der Wasseroberfläche liegt. Das Riff misst etwa 4,5 Kilometer in Nordsüdrichtung bei zwei Kilometer Breite und war 1988 Schauplatz eines opferreichen Seegefechts zwischen China und Vietnam, bei dem die Vietnamesen unterlagen: Mehr als 70 Vietnamesen und etwa sechs Chinesen fielen. Auch Vietnam beansprucht diesen Flecken im Meer, der etwa 600 Kilometer vor der Küste Vietnams liegt, nach China (bzw. zu dessen großer Insel Hainan) sind es etwa 1070 km - beide Staaten führen für ihre Ansprüche in der Spratly-Region in erster Linie historische Gründe an.

Burgen im Meer

Nach ihrem Sieg bauten die Chinesen jedenfalls in der Mitte des Riffs ein burgartiges Gebäude, in dem es sich in der Isoliertheit inmitten der blauen Wasserwüste wohl ziemlich eigenartig leben lässt, und postierten dort eine kleine Garnison von Marine und Küstenwache.

Chinesische Festung auf Johnson South
Chinesische Festung auf Johnson Southwww.enanhai.com

Die Satellitenfotos zeigen, dass jetzt das Riff über eine größere Fläche mit Steinen, Kies und Sand kreisförmig aufgeschüttet und problemlos begehbar ist. Die "Burg" liegt nun am Südrand der Aufschüttung, und auf letzterer sind neue Strukturen zu erkennen, etwa kleine Gebäude und Schutthalden, zudem sieht man ein Baggerschiff. Auf Fotos der vergangenen Monate, die übrigens auch aus chinesischen Quellen kommen, sind überdies Frachtschiffe, wohl mit Schüttgut beladen, zu sehen, dazu Baggerschiffe, Tanker und Fregatten der Marine.

Vom Riff zur
Vom Riff zur "richtigen" Insel; Dredger bedeutet so viel wie "Baggerschiff"Airbus Corporation

China sind die Vorwürfe aus Manila ziemlich egal, ganz im Gegenteil: Aus dem Pekinger Außenamt hieß es, dass sowieso die ganzen Spratly-Inseln unter chinesischer Souveränität stünden, man könne also auch auf dem Riff, dass in China "Chigua" heisst, bauen, was man wolle.

Benannt nach einem Engländer

Die Spratly-Inseln - der international vorherrschende Name stammt von dem englischen Kapitän Richard Spratly, der 1843 auf einem Walfangschiff hier kreuzte - sind ein Archipel aus mehr als 750 Inseln, Korallenriffen, Sandbänken und ähnlichen Erhebungen, die maximal vier Meter aus dem Wasser ragen. Ihre Gesamt-Landfläche beträgt nur etwa vier Quadratkilometer, dabei sind sie verstreut in einer Region von etwa 1000 Kilometern Länge bei 500 Kilometer Breite. Die meisten sind nur wenig bis gar nicht bewachsen, es gibt da und dort Palmen, Sträucher und Gräser, nur auf der größten Insel, Taiping (rund 0,6 Quadratkilometer), gibt es Trinkwasser. Diese Insel wiederum gehört zu Taiwan.

Karte der Gesamtregion
Karte der GesamtregionCIA

Die Inseln waren im Laufe der Geschichte unbewohnt, wenngleich es Hinweise in alten Texten gibt, dass bereits in den ersten Jahrhunderten nach Christus hier Fischer aus China und dem heutigen Vietnam gewesen waren; vermutlich waren die Inseln auch Seefahrern bekannt, die noch früher zwischen Vietnam bzw. Südchina und der großen Insel Borneo unterwegs waren. In vietnamesischen und chinesischen Karten des 18. und 19. Jahrhunderts scheinen einige der Inseln als jeweils zu Vietnam bzw. China gehörig auf, allerdings gab es über die Jahrhunderte hinweg offenbar nie Gebietskonflikte.

Ein umtriebiger Filipino

Erst als 1883 deutsche Schiffe die Region erforschten, erhob einer der Anrainer Hoheitsansprüche, nämlich das kaiserliche China, das gegen die Präsenz der Deutschen mit Erfolg diplomatischen Protest einlegte. 1933 erklärte Frankreich die Spratlys zum Teil seiner Besitzungen in Indochina (heute Vietnam, Laos, Kambodscha) und stationierte Truppen dort, etwa auf Taiping, was Proteste seitens der Republik China hervorrief. Während des Zweiten Weltkriegs nutzten die Japaner einige der Spratlys als Basen, etwa für U-Boote, nach der Niederlage Japans reklamierte China die Gesamtheit des Archipels für sich und baute seinerseits einige Militärbasen dort.

Die Situation spitzte sich zu, als 1956 ein umtriebiger philippinischer Geschäftsmann namens Tomás Cloma (1904-96) einige der südöstlichen Spratlys formell für sich selbst "annektierte" und dort einen eigenen Staat namens "Freedomland" ausrief - ein Vorgang, den er der Regierung in Manila und über die Medien sogar ausdrücklich "vor aller Welt" mitteilte. Das hatte immerhin zur Folge, dass nun die kommunistische Volksrepublik China, die zwischenzeitlich die meisten von der alten Republik übernommenen Stützpunkte auf den Spratlys aufgegeben hatte, erneut zurückkam und die Basen wieder bemannte.

Tomás Cloma auf Briefmarke
Tomás Cloma auf Briefmarkewww.philippinestamps.net

Nach dem Abzug der Franzosen beanspruchte Ende der 1950er auch das unabhängige Südvietnam Hoheitsrechte über die Spratlys, seither taten das auch die anderen Anrainer. Folge: Die Spratlys sind heute ein  Fleckerlteppich teils isolierter, teils überlappender Gebietsansprüche Chinas, Taiwans, Vietnams, Malaysias, der Philippinen und Bruneis. Man sieht das auf der Karte unten oder über eine interaktive Karte auf diesem Link.

Nicht ganz aktuelle Karte mit Stützpunkten
Nicht ganz aktuelle Karte mit StützpunktenCIA

Und mit Ausnahme der kleinen Monarchie Brunei haben alle diese Länder Stützpunkte auf Inseln bzw. Riffen oder Atollen der Spratlys etabliert, sodass heute etwa 45 davon bewohnt sind - teils freilich nur in Form künstlicher, festungsartiger Bauten, die im Wasser stehen. Einen schönen Überblick dazu findet sich auf diesem Link.

Vietnamesische Soldaten auf Amboyna Cay (Dao An Bang)
Vietnamesische Soldaten auf Amboyna Cay (Dao An Bang)Wikipedia/privat
Chinesischer Posten auf dem Subi Riff, das auch die Philippinen beanspruchen
Chinesischer Posten auf dem Subi Riff, das auch die Philippinen beanspruchendefencetalk.com

Noch bizarrer wird die Lage durch die Tatsache, dass einige dieser beanspruchten Inseln und Stützpunkte sehr nah, teils in Sichtweite, nebeneinander liegen. So ist etwa, wie man der Karte unten entnehmen kann, das Johnson South Reef Teil einer länglich-ovalen Kette von Riffen bzw. Sandbänken namens "Union Banks", die sich über etwa 38 Kilometer Länge erstrecken. Und auf mehreren dieser Orte stehen chinesische bzw. vietnamesische Stützpunkte, während die Philippinen die Union Banks en gros für ihre maritime Wirtschaftszone reklamieren. Das Foto unter der Karte zeigt die aktuelle chinesische Baustelle vom vietnamesischen Stützpunkt auf dem nahen Collins Reef aus gesehen.

Stützpunkte auf den Union Banks
Stützpunkte auf den Union BanksWikipedia
Die aktuelle chinesische Baustelle auf dem Johnson South Reef (im Hintergrund) und vorne ein vietnamesischer Stützpunkt auf dem nahen Collins Reef
Die aktuelle chinesische Baustelle auf dem Johnson South Reef (im Hintergrund) und vorne ein vietnamesischer Stützpunkt auf dem nahen Collins Reefphilnews.ph

Das Johnson South Reef, das China wie erwähnt unter dem Namen "Chigua" zu einer regelrechten Insel umbaut, wird von den Vietnamesen übrigens "Da Gac Ma", von den Filipinos "Mabini" genannt. Sollte China dort einen Flughafen bauen, wäre es freilich damit nicht das erste Land mit Flugfeld vor Ort im Meer: Mehrere der Spratly-Beansprucher haben vor Ort Pisten erreichtet, etwa Taiwan auf Taiping und Vietnam auf Great Spratly Island (Truong Sa Lon), es soll sechs bis acht davon geben, über die auch stellenweise Touristen einfliegen.

Worum es geht? Natürlich ums Öl

Aber der Tourismus, der sich da und dort in der ausnehmend wunderschönen Inselwelt der Spratlys entwickelt hat, ist natürlich nicht der Hauptgrund, wieso sich ein halbes Dutzend Länder darum sogar mit militärischen Mitteln balgen: Es geht um die Kontrolle der Schifffahrtsrouten, um die reichen Vorkommen an Fischen - und natürlich um bedeutende Öl- und Gasvorkommen, die im Meeresuntergrund vermutet werden. Was eigentlich auch wiederum nichts neues ist.

Das
Das "Schwalbenriff" (kontrolliert von Malaysia)sabahtourism.com
Unterkunft mit Pool auf dem Schwalbenriff
Unterkunft mit Pool auf dem Schwalbenriffakupesak.blogspot.com

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