Interfax: Malaysischer Passagierjet über Ukraine abgeschossen

Wrackteile der abgestürzten Maschine in der Ukraine.
Wrackteile der abgestürzten Maschine in der Ukraine.REUTERS/Maxim Zmeyev
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Die Boeing 777 war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur. An Bord sollen sich vermutlich mehr als 300 Menschen befunden haben.

In der Ukraine ist am Donnerstag an der Grenze zu Russland ein malaysisches Verkehrsflugzeug mit vermutlich mehr als 300 Menschen, davon 290 Passagiere und 15 Crewmitglieder,  an Bord abgestürzt. Dies meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Das Flugzeug sei in zehn Kilometern Höhe über der Ostukraine abgeschossen worden. Der Vorfall habe sich laut Interfax 50 Kilometer vor dem Eintritt des Flugzeugs in den russischen Luftraum ereignet. An der Absturzstelle hat es keine Anzeichen von Überlebenden gegeben, berichteten Reporter der Nachrichtenagentur AFP. Offenbar ist der Flugschreiber gefunden worden. "Die Black Box wurde sichergestellt", sagte einer der Sprecher der Aufständischen.

Sofort begannen die gegenseitigen Schuldzuweisungen: Alexander Borodai, der Führer der prorussischen Separatisten in der Ostukraine, warf der Armee vor, das Passagierflugzeug abgeschossen zu haben. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko ließ über sein Pressebüro mitteilen, die ukrainischen Streitkräfte seien in den Vorfall nicht involviert. Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow erklärte umgehend, dass es sich um eine Boden-Luft-Rakete gehandelt habe, die von prorussischen Separatisten abgefeuert worden war, wie Interfax weiter berichtete. Indes sagte Militärexperte Thomas Wiegold auf "n-tv", dass auch ein technisches Problem bei der Boeing 777 nicht auszuschließen sei.

Signal nahe Donezk verloren

Unter den Passagieren sollen sich auch 23 US-Amerikaner befinden. Das berichtete die Agentur Interfax unter Berufung auf den Berater des ukrainischen Innenministers.  Nach Berichten niederländischer Medien sollen auch Dutzende niederländische Passagiere an Bord gewesen sein. Der Reiseveranstalter D-Reizen teilte mit, dass 25 Niederländer über ihn den Flug gebucht hatten. Ob sich auch Österreicher an Bord der Maschine befanden, war vorerst unklar. Das Außenministerium in Wien war für die APA am Donnerstagabend vorerst nicht erreichbar.

"The Aviation Herald" hatte berichtet, dass die Maschinne das Signal nahe Donetsk in der Ukraine verloren wurde. Der Absturzort befindet sich nahe der Stadt Schachtarsk befinden. Ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters berichtete von Wrackteilen und menschlichen Überresten, laut ukrainischen Rettungskräften seien Leichenteile über einen Radius von 15 Kilometer um die Absturzstelle verstreut. Das Heck des Jets mit dem Kennzeichen der Fluggesellschaft Malaysia Airlines befand sich demnach in einem Getreidefeld.

Die Boeing mit der Flugnummer MH17, es handelte es sich um einen Kooperationsflug von Malaysia Airlines und KLM, war auf dem Weg von Amsterdam, wo sie um 12.14 Ortszeit gestartet war, nach Kuala Lumpur.

Malaysia bestätigt Abschuss nicht

Kurz nach den ersten russischen Berichten meldete sich auch die ukrainische Regierung zu Wort: „Eine Boeing 777 war von Amsterdam nach Kuala Lumpur unterwegs und stürzte nördlich von Tores ab“, zitierte die russische Agentur Ria Novosti Wladislaw Selesnjow, den Sprecher der ukrainischen Anti-Terror-Operation.

Anton Geraschtschenko, ein Berater des Innenministers veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite, dass das Flugzeug von einer bodengestützten weitreichenden Luftabwehrrakete vom Typ Buk (SA-11 Gadfly) getroffen worden sei. Die Quelle seiner Informationen nannte er nicht. Das in den Achtzigerjahren von sowjetischen Militärs entwickelte Lenkwaffen-System kann Ziele in Höhen bis zu 25.000 Metern treffen.

Buk-Systeme in Hand der Separatisten?

Es ist jedoch fraglich, ob die Aufständischen über solche Systeme verfügen. Die ukrainische Armee hat sie jedenfalls. Laut "Spiegel Online" berichtete das russische Staatsfernsehen allerdings am 29. Juni auf seiner Website, dass die Rebellen bei Donezk die ukrainische Militärbasis A-1402 unter ihre Kontrolle haben, die über Buk-Abwehrsysteme verfüge. BBC hat indes beobachtet, dass ein in russischer Sprache formulierter Tweet von einem Twitter-Account eines pro-russischen Separatisten, in dem sich dieser brüstete, eine Luftabwehrrakete vom Typ Buk abgefangen zu haben, inzwischen gelöscht wurde.

Malaysia Airlines hat gegenüber "Spiegel Online" bestätigt, dass der Flug nicht so verlaufen sei wie geplant. Man trage derzeit weitere Details zusammen. Per Twitter vermeldete die Airline, man habe den Kontakt zu der Maschine über der Ukraine verloren.

Das Flugzeug kurz nach dem Start in Amsterdam
Das Flugzeug kurz nach dem Start in AmsterdamTom Warners (@ShipholSpot)

Die malaysische Regierung hat Berichte über einen möglichen Abschuss nicht bestätigt. "Wir haben keine Bestätigung für einen Abschuss!", schrieb Verteidigungsminister Hishamuddin Hussein am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: "Unser Militär wurde angewiesen, dies zu untersuchen." Die malaysische Airline hat für den weiteren Abend eine Pressekonferenz zum Unfall angekündigt.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat der malaysischen Regierung sein Beileid übermittelt. Er sei traurig über die "Katastrophe über dem Territorium der Ukraine, die so viele Menschenopfer gekostet" habe, schrieb Putin in einem Telegramm.

Luftsicherung: Luftraum bleibt offen

Die Europäische Flugsicherung bewertet den Absturz der Passagiermaschine vorerst als Unfall. Ein Behördensprecher sagte zur Tageszeitung "Die Welt": "Wir untersuchen den Vorfall derzeit. Aktuell haben wir aber keinen Anlass für eine Sperrung des Luftraums", sagte der Eurocontrol-Vertreter. "Der Luftraum ist weiter offen."

Dennoch hat nun die Lufthansa ihre Flugrouten geändert. "Die Lufthansa hat sich entschieden, von sofort an den ostukrainischen Luftraum weiträumig zu umfliegen", sagte eine Sprecherin der Fluglinie. Die Lufthansa-Ziele Kiew und Odessa seien derzeit weiterhin erreichbar. Von der Entscheidung, die Flugrouten zu ändern, seien im Laufe des Donnerstag noch vier Flüge betroffen. Auch die AUA hat entschieden, den ostukrainischen Luftraum ab sofort zu umfliegen. Das betrifft die Langstreckenflüge nach Tokio, Bangkok und Neu Delhi, sagte ein AUA-Sprecher am Donnerstagabend.

Andere Luftlinien wie Alitalia, Turkish Airline und die russische Aeroflot haben angekündigt, den Luftraum über der Ukraine vollständig zu meiden. Französische Fluggesellschaftensind bis auf weiteres ebenso aufgefordert, den Luftraum über der Ukraine nicht mehr zu benutzen. Ebenso umfliegt die Fluggesellschaft Swiss die Ukraine großräumig.

Ähnlicher Vorfall bereits 2001

Einen vergleichbaren Vorfall gab es in der Ukraine schon einmal: Im Oktober 2001 war ein Passagierflugzeug der russischen "Sibir Air" von einer ukrainischen S-200-Luftabwerrakete in der Nähe der Halbinsel Krim abgeschossen worden. Damals starben alle 78 Menschen an Bord. Der Vorfall geschah bei einem Manöver der ukrainischen Streitkräfte und war auf ein Fehlverhalten der Bedienung des Abwehrsystems zurückzuführen.

Der Absturz von MH17 wäre bereits die zweite große Tragödie für Malaysia Airlines in diesem Jahr. Im März verschwand Flug MH370 mit 227 Passagieren und 12 Crewmitgliedern an Bord über dem Indischen Ozean. Der Verbleib des Flugzeugs ist bis heute ungeklärt.

Über die Luftfahrt-Plattform "airliners.net" wurde ein Video verbreitet, das die Absturzstelle aus der Entfernung zeigen soll: 

(APA/Reuters/AFP/wg)

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