Bulgarien: Ein Fußball-Präsident, seine Frau und 157.000

Der Präsident des des Clubs Litex Lowetsch, Angel Bontschew
Der Präsident des des Clubs Litex Lowetsch, Angel Bontschew(c) Reuters
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Ein bizarrer Entführungsfall rund um den Chef des Fußballklubs Litex Lowetsch hält das Land in Atem.

SOFIA. Der bizarre Kriminalfall Bontschew, der derzeit ganz Bulgarien in Atem hält, klingt wie der Plot aus einem Groschenroman: Ende Mai verschwindet der Präsident des bulgarischen Fußball-Pokalsiegers Litex Lowetsch, Angel Bontschew, spurlos. Wenig später kommt es zu Lösegeldforderungen, die seine Frau Kamelia erfüllt – und wobei auch sie entführt wird. Als sie knapp drei Wochen verschwunden ist, übergibt ein gebrochener Fußball-Magnat live im Fernsehen 157.000 Euro an einen Krebshilfe-Verein – und schon ist seine Frau frei. Ein seltsamer Entführungsfall. Eine seltsame Transaktion. Ließ Frau Bontschewa ihren Gatten gar entführen, wie die bulgarische Tageszeitung „Standart“ titelte?

Die Tatversion, die derzeit durch die Medien des Landes geistert, ist Folgende: Angel Bontschew verschwand in der Nacht zum 22. Mai. Am 10. Juli wurde Kamelia Bontschewa bei der Übergabe von 300.000 Euro Lösegeld für ihren Ehemann angeblich entführt, obwohl sie bei der Geldübergabe von Kriminalbeamten begleitet worden sein soll. Weder Innenminister Michail Mikow noch die zuständigen Polizeibehörden konnten der interessierten Öffentlichkeit erklären, wie dies genau geschah. Die Entführer, so hieß es vage in Medienberichten, hätten möglicherweise über ein elektronisches Gerät verfügt, mit dem sie die Mobiltelefone aller in der Umgebung anwesenden Polizisten außer Funktion setzen konnten. Kurz darauf wurde Bontschew von Polizisten in hilflosem Zustand und mit zwei gekürzten Fingern der linken Hand aufgefunden.
Fast drei Wochen später verlas ein gebrochen wirkender Angel Bontschew vor den laufenden Kameras des privaten Fernsehsenders bTV mit tränenerstickter Stimme eine offensichtlich nicht selbst verfasste Erklärung: „Sie wissen, was mit meiner Familie passiert ist. Seit ich freigelassen worden bin, haben mich viele Leute, denen ich vertraute, im Stich gelassen. Grischa Gantschew, der Besitzer von Litex, hat mich aus der Firma geschmissen. Es ist mir gelungen, von Freunden 157.000 Euro Lösegeld für meine Frau zu bekommen.

Seit neunzehn Tagen habe ich keine Nachricht von ihr. Dieses Geld spende ich für die Heilung und die Rehabilitierung von an Brustkrebs Erkrankten. Ich übergebe sie jetzt der Stiftung „Utre sa vseki“ (Einen Morgen für jeden, Anm.). Ich bitte Gott, meiner Familie zu helfen.“ Danach schob er mit beiden Händen die in 100-Lewa-Scheine gebündelte „Spende“ zu dem neben ihm sitzenden Vorsitzenden der Stiftung, Marin Hadschiiska, der sich mit warmen Worten bedankte.

Wenige Stunden nach dieser grotesken Szene wurde Bontschews Frau Kamelia von Polizisten in dem Sofioter Randbezirk Kasitschene in unversehrter Verfassung aufgefunden, so dass bei ihr im Gegensatz zu ihrem Mann auf eine Behandlung im Krankenhaus verzichtet werden konnte.

Alles aus Wohltätigkeit!

Nina Hadschiiska, ebenfalls in leitender Funktion bei „Utre sa vseki“, äußerte sich im Frühstücksfernsehen von bTV erfreut über den unverhofften Geldsegen, bestritt jegliche Verbindung ihrer Organisation zu den Entführern und beteuerte, das Geld zum Wohle Brustkrebskranker gut verwenden zu wollen. Kritischen Fragen der Moderatorin, ob sie nicht befürchte, die Verwicklung in den Fall könne ihrer Organisation schaden, wich sie beharrlich aus. Sie betonte stattdessen, wie wichtig das Geld für die Krebskranken sei.

Ihre für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Kollegin Magdalena Angelowa hatte bereits am Abend zuvor, noch vor Bontschewas Auftauchen, alle Zweifel aus dem Weg geräumt. „Die Motive sind klar, er (Angel Bontschew, Anm.) wollte Gutes tun, damit ihm Gutes widerfahre“, diktierte sie Journalisten der Zeitung „Trud“ ins Notizbuch.

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