Alle Opfer geborgen

Flugzeugunglück in Madrid:
Flugzeugunglück in Madrid: "Ein Wunder, dass jemand überlebte"(c) AP (Daniel Ochoa de Olza)
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Die Identifizierung aller Toten wird zwei Tage dauern. Nur 19 haben das Unglück teils schwer verletzt überlebt. Spanien ruft eine dreitägige Staatstrauer aus. Über die Ursache gibt es nur Spekulationen.

Nach dem Flugzeugunglück auf dem Madrider Flughafen sind alle 153 Todesopfer geborgen worden. Eine Maschine der Fluggesellschaft Spanair war unmittelbar nach dem Start auf dem Flughafen Madrid-Barajas zerschellt und in Flammen aufgegangen. Experten haben begonnen, die Ursache der schlimmsten spanischen Luftfahrt-Katastrophe seit 25 Jahren zu ermitteln. Augenzeugen berichteten, dass das linke Triebwerk Feuer gefangen hat.

Nach Angaben der spanischen Verkehrsministerin Magdalena Alvarez haben 19 Insassen der Maschine mit teils schweren Verletzungen überlebt. Die Regierung rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Die Fahnen in der Hauptstadt wurden auf Halbmast gesetzt.

Die Überlebende Beatriz Reyes berichtete vom Unglück: "Ich spürte, dass etwas mit dem Flugzeug nicht stimmte. Das nächste, was ich weiß, ist, dass ich meinen Kopf hob und das Flugzeug kein Dach mehr hatte." Auch die Notärztin Ligia Palomino überlebte das Unglück: Sie sei für einen Moment bewusstlos gewesen, nachdem das Flugzeug über das Rollfeld geschossen und in ein Feld gestürzt sei. Von der Explosion eines Treibstofftanks sei sie wieder aufgewacht: "Als ich den Kopf hob, sah ich überall Leichen", sagte die Palomino der Zeitung "El Pais" vom Donnerstag.

Triebwerk in Brand?

Die Flugschreiber des verunglückten Flugzeugs vom Typ McDonnell Douglas MD-82 wurden wenige Stunden nach dem Unglück sichergestellt und einem Ermittlungsrichter übergeben. Regierungssprecherin Nieves Goicoechea schloss einen Anschlag als Ursache des Unglücks aus. Es bestehe "kein Zweifel", dass es sich bei der Katastrophe um einen Unfall handle, sagte sie.

Das Unglück wurde in Medienberichten darauf zurückgeführt, dass möglicherweise beim Start das linke Triebwerk der zweistrahligen Maschine in Brand geraten sei. Luftfahrtexperten wiesen jedoch darauf hin, dass bei der Katastrophe auch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben müssten. Eine Maschine dieses Typs könne notfalls auch mit nur einem Triebwerk starten.

Die Verkehrsministerin bestätigte, dass der Pilot des Jets vor dem Unglück einen Start abgesagt habe, weil technische Probleme aufgetaucht seien. Die Spanair-Maschine hatte Unternehmensangaben zufolge vor ihrem Absturz Probleme mit einem Messfühler. Das Ventil sei beim ersten Startversuch überhitzt gewesen, sagte Firmensprecher Javier Mendoza am Donnerstag in Madrid. Demnach ist aber unklar, ob das Problem im Zusammenhang mit dem Absturz steht. Die Maschine war 15 Jahre alt und allen vorgeschriebenen Inspektionen unterzogen worden.

Crash beim 2. Startversuch

Laut Flugplan sollte die Spanair-Maschine um 13.00 Uhr vom Großflughafen Barajas der spanischen Hauptstadt nach Gran Canaria abheben. Beim zweiten Startversuch raste das Flugzeug gegen 14.45 Uhr dann über die Landebahn hinaus und ging in Flammen auf. Die Maschine war beim Start kaum vom Boden abgehoben und hinter der Startbahn auf einer Wiese in einer Senke zerschellt. In der Nacht auf Donnerstag normalisierte sich der Flugverkehr wieder, der nach dem Unglück eingestellt worden war.

Schwierige Identifizierung

Am Donnerstag schlossen die Rettungsmannschaften die Bergung der Leichen ab. Von den 153 Todesopfern waren am Donnerstag erst 14 identifiziert. Für die Identifizierung aller Fluggäste dürften die Experten nach Angaben von Spaniens Infrastrukturministerin Magdalena Alvarez zwei Tage benötigen, weil viele Tote verstümmelt und zur Unkenntlichkeit verbrannt sind. "Bisher wurden sie über digitale Fingerabdrücke identifiziert, und in einigen Fällen werden DNA-Tests notwendig sein." Die Polizei sicherte DNA-Spuren in den Wohnungen der Vermissten, falls diese für eine Identifizierung benötigt werden.

Eine Passagierliste ist von Spanair mittlerweile im Internet veröffentlicht worden. Demnach waren unter den Passagieren auch 20 Kinder und zwei Babys. "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" sind keine Österreicher darunter, sagte Harald Stranzl, der Sprecher des Außenministeriums. "Spiegel Online" berichtet von einem bayrischen Ehepaar, das sich mit seinen zwei Söhnen an Bord der Unglücksmaschine befunden haben soll. Ihr Schicksal ist unklar.

Papst und Königspaar kondolieren

Der spanische Ministerpräsident Jose Luis Rodríguez Zapatero sagte, die Ursachen der Katastrophe würden lückenlos aufgeklärt. Er hatte wegen der Katastrophe seinen Urlaub unterbrochen und spendete den Angehörigen der Opfer Trost.

Das spanische Königspaar hat sich am Donnerstag nach Madrid begeben und den Angehörigen der Opfer der Flugzeugkatastrophe sein Beileid ausgesprochen. König Juan Carlos und Königin Sofia trafen am Mittag auf dem Ifema-Messegelände der spanischen Hauptstadt ein, wo die sterblichen Überreste der Opfer aufgebahrt waren.

Auch Papst Benedikt XVI. zeigte sich betroffen und hat den Überlebenden eine rasche und vollständige Genesung gewünscht. In einem Kondolenztelegramm bat er den Vorsitzenden der spanischen Bischofskonferenz, Antonio Maria Rouco Varela, den Angehörigen der Opfer seinen "aufrichtigen Kummer" zu übermitteln.

"Wunder, dass jemand überlebte"

Helfer der Rettungsdienste berichteten, das Flugzeug sei in mehrere Teile zerbrochen. "Es ist ein Wunder, dass überhaupt jemand überlebte", sagte ein Augenzeuge. Ein Helfer berichtete: "Das Wrack war total verkohlt und voller Leichen. Da sah nichts mehr wie ein Flugzeug aus."

(c) APA

Die Fluggesellschaft Spanair befindet sich seit geraumer Zeit in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die skandinavische Muttergesellschaft SAS hatte vergeblich versucht, einen Käufer für das kränkelnde Unternehmen zu finden. Zurzeit ist Spanair dabei, fast ein Drittel der Beschäftigten zu entlassen und das Streckennetz zu reduzieren.

Auf dem Madrider Flughafen hatte es vor knapp 25 Jahren zwei schwere Flugzeugkatastrophen gegeben. Am 27. November 1983 war ein Jumbojet der kolumbianischen Linie Avianca beim Landeanflug abgestürzt, 181 Menschen starben. Wenige Tage später gab es 93 Tote bei einem Zusammenstoß zweier Maschinen im dichten Nebel.

(Red.)

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