Spanien: „Migranten müssen anklopfen“

Afrikanische Flüchtlinge in Teneriffa
Afrikanische Flüchtlinge in Teneriffa(c) AP (ARTURO RODRIGUEZ)
  • Drucken

Madrid schottet das Land immer mehr ab, was zu einer Umleitung der unvermindert anhaltenden Flüchtlingsströme nach Griechenland, Italien und Malta führt.

Madrid. Europa, sagt Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef José Luis Zapatero, „darf keine Festung sein.“ Aber auch kein Kontinent, in den Migranten nach Belieben und illegal einwandern können: „Man kann nach Europa kommen, aber man muss an der Tür anklopfen.“

Wer nicht „anklopft“ – wie viele afrikanische Armuts- und Krisenflüchtlinge –, die in wackeligen Booten übers Meer Richtung Europa kommen, findet in Spanien zunehmend geschlossene Türen vor. Und Zapatero, der nach der Machtübernahme im Jahr 2004 zunächst eine Generalamnestie für Illegale im Land verkündete und sich eine laxe Einwanderungspolitik vorwerfen lassen musste, will nun die illegale Zuwanderung weiter erschweren.

Eine unsichtbare Mauer schützt die spanische Wassergrenze im Mittelmeer und im Atlantik. Jedes Jahr wird der elektronische Wall, dessen technische Einzelheiten geheim sind, weiter ausgebaut. Soviel aber weiß man: Mit Spezialkameras können die Grenzschützer bis zu 20 Kilometer, mit Radarantennen sogar mehr als 100 Kilometer weit nach Booten mit illegalen Flüchtlingen Ausschau halten und sie abfangen. Tag und Nacht.

Nur bei stürmischer See fällt es den Küstenschützern schwer, auf ihren Bildschirmen Wellenberge von Schlauchbooten voller Flüchtlinge zu unterscheiden. Der High-Tech-Grenzzaun umgibt die Kanarischen Inseln, die vor der westafrikanischen Küste im Atlantik liegen. Genauso wie Mallorca und die übrigen Baleareninseln, die sich auf halbem Wege von Nordafrika zur spanischen Festlandküste im Mittelmeer befinden. Und auch immer weitere Teile von Spaniens Süd- und Ostküste, die bei Urlaubern unter den Namen Costa de la Luz, Costa del Sol und Costa Blanca bekannt sind.

Demnächst soll die Radarmauer sogar noch durch Luftaufklärung per Satellit verstärkt werden.

Schnelle Abschiebung

Die Abschottung zeigt Wirkung. Während an Spaniens Küste die Zahl der Armutsimmigranten zurückgeht, landen in Italien, auf Malta und in Griechenland immer mehr „Boat-People“. Auch hat sich herumgesprochen, dass in Spanien die Abschiebung Illegaler immer schneller vonstatten geht.

Rückführungsabkommen mit afrikanischen Staaten, die im Gegenzug mit Entwicklungshilfe belohnt werden, erleichtern Massenabschiebungen. Nur bei Minderjährigen und Schwangeren werden Ausnahmen gemacht, weswegen immer mehr Halbwüchsige und Frauen in den Booten sitzen.

Die das Geschäft der illegalen Einwanderung steuernde Menschenschmuggler-Mafia sucht sich derweil neue Wasserrouten nach Südeuropa, die noch weniger überwacht und durchlässiger sind. Die Wege werden damit oft länger, somit auch gefährlicher. Man hört von immer mehr Fluchttragödien. Mehrere tausend Krisen- und Wirtschaftsflüchtlinge, so die Schätzungen, sterben jedes Jahr auf dem Wasserweg nach Europa. Nicht wenige Flüchtlingsschiffe versinken in den Fluten, ohne dass die Welt je davon erfährt.

Seit Jahresanfang sind rund 6000 Illegale mit Booten an den spanischen Küsten gelandet, deutlich weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im gesamten Jahr 2007 waren es rund 18.000 Bootsflüchtlinge, 2006 noch annähernd 40.000.

Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ warnte derweil: „Verstärkte Kontrollen und Überwachung halten die Menschen nicht von dem Versuch ab, nach Europa zu gelangen. Diese Menschen flüchten vor Krieg, Gewalt, Hunger und extremer Not. Die gefährliche Reise zu wagen, ist ihre einzige Chance. Dafür gehen sie immer größere Risiken ein.“

Lampedusa bricht zusammen

Während sich Spanien immer mehr abschottet, hält die Flüchtlingswelle aus Nordafrika unvermindert an. So klagt etwa der Bürgermeister von Lampedusa, Bernardino De Rubeis, dass „die Insel unter der Immigrationsflut zusammenbricht“. Im Auffanglager der kleinen Mittelmeerinsel zwischen Sizilien und Tunesien halten sich derzeit über 2000 Migranten auf, das Lager steht vor dem Zusammenbruch.

Einen enormen Anstieg der Flüchtlinge gibt es auch in Griechenland: Die Zahl der „Boat People“ hat sich im vergangenen Jahr fast vervierfacht.

AUF EINEN BLICK

Aktion scharf gegen Illegale.
Spaniens Regierungschef José Luis Zapatero will die illegale Zuwanderung weiter erschweren.

Ein elektronischer Wall schützt derzeit die spanische Wassergrenze im Mittelmeer und im Atlantik. Jedes Jahr wird diese unsichtbare Mauer weiter ausgebaut. Auch die Abschiebung Illegaler geht in Spanien immer rascher vonstatten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.