Athen: Angriffe auf Ministerien und Banken

Randalierer greifen in Athen die Polizei mit Laserpointern an.
Randalierer greifen in Athen die Polizei mit Laserpointern an.(c) AP (Petros Karadjias)
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Eine Woche nach dem Tod eines 15-Jährigen durch Polizeischüsse kam es am Samstagabend neuerlich zu Kämpfen. Die Demonstranten erheben zunehmend politische Forderungen.

In der griechischen Hauptstadt Athen ist es am Samstagabend erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Stunden nach einem friedlichen Gedenkmarsch für den von einem Polizisten getöteten 15-jährigen Schüler griffen kleinere Gruppen von Gewalttätern am Abend Polizisten und Gebäude mit Brandsätzen und Steinen an. Nach Polizeiangaben kam es in mehreren Stadtteilen zu Angriffen auf Banken, Ministerien, Geschäfte und Polizisten.

Am Nachmittag hatten sich rund 2000 Schulkameraden und ihre Familien vor dem Parlament versammelt, um des vor genau einer Woche getöteten Schülers zu gedenken und gegen Polizeigewalt zu protestieren. Wegen des Todes des Jugendlichen wird gegen zwei Polizisten ermittelt. Der Polizist, aus dessen Waffe der Schuss stammte, hat erklärt, er habe Warnschüsse abgegeben.

Friedlich verlief dagegen eine Nachtwache, mit der Hunderte Schüler des vor einer Woche erschossenen Alexandros Grigoropoulos gedachten. Mit Kerzen in den Händen versammelten sie sich vor dem Parlament und an der Stelle, an der der 15-Jährige von einer Polizeikugel tödlich getroffen worden war. Vor den Bereitschaftspolizisten, die das Parlament bewachten, formierten die Demonstranten mit Kerzen den Namen Alex.

Bereits tagsüber hatten sich etwa 1000 überwiegend jugendliche Demonstranten auf dem Syntagma-Platz in der Athener Innenstadt zu einem friedlichen Sitzstreik zusammengefunden. In Saloniki demonstrierten ebenfalls etwa 1000 Menschen.

Kommentar: Soziale Krise und schwacher Staat

Auch in der kommenden Woche wollen die Demonstranten jeden Tag auf die Straße gehen. Sie protestieren nicht nur gegen Polizeigewalt, sondern erheben zunehmend auch politische Forderungen unter dem Eindruck einer unpopulären Regierung und einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise.

Eine der jugendlichen Demonstrantinnen erklärte, ihre Generation fühle sich unverstanden. "Wir haben das Gefühl, dass unsere Eltern und Lehrer uns nicht zuhören", sagte die 16-jährige Veatriki. Offenbar finde man erst Gehör, wenn eine Schaufenster- oder Autoscheibe zu Bruch gehe. Sie betonte, dass Grigoropoulos' Tod nur der Auslöser für die Proteste gewesen sei. Die Jugendlichen seien beispielsweise mit dem Schulsystem unzufrieden.

Von einer "zunehmenden sozialen Krise, verbunden mit einem geschwächten Staat", sprach in diesem Zusammenhang der Zeitungsherausgeber Giorgos Kyrtsos. Die Regierung habe sich sowohl die rebellierenden Jugendlichen als auch die gesetzestreue Mehrheit zum Feind gemacht, sagte Kyrtsos. "Sie hat niemandem etwas zu bieten." Es gebe "etwa 500, ganz sicher weniger als 1000" Anarchisten, zu denen sich bei den gewaltsamen Ausschreitungen Hooligans gesellt hätten, ebenso wie Jugendliche auf der Suche nach einem Abenteuer oder einem Ventil für ihren Frust.

Seit Beginn der Unruhen vor einer Woche wurden Hunderte Geschäfte geplündert. Mindestens 70 Menschen wurden verletzt, mehr als 200 festgenommen. Die Proteste begannen nach dem Tod des 15-Jährigen, der am Samstag vergangener Woche von einem Polizisten erschossen wurde. Die beiden beteiligten Beamten sitzen in Untersuchungshaft.

Ausschreitungen auch in Würzburg

Zum wiederholten Mal haben sich Sympathisanten mit den griechischen Jugendlichen auch im Ausland Gefechte mit der Polizei geliefert: Rund 100 überwiegend junge Erwachsene haben bei einer Demonstration am Wochenende in Würzburg die Polizei unter anderem mit Feuerwerkskörpern attackiert. Neun Randalierer wurden nach den gewaltsamen Krawallen festgenommen, sechs von ihnen mussten die Nacht in einer Polizeizelle verbringen. Nach Worten eines Polizeisprechers vom Sonntag wurden inzwischen alle Tatverdächtigen wieder freigelassen.

Hintergrund des angekündigten Aufzugs der teils Vermummten am Samstag waren offenbar die seit Tagen andauernden Krawalle in Griechenland. Die Teilnehmer, darunter auch etliche Linksautonome, bekundeten auf Plakaten mit Aufschriften wie "Mord bleibt Mord" ihre Sympathie mit den griechischen Demonstranten.

In Würzburg wurde während der Demonstration ein Polizist gezielt angegriffen und im Gesicht verletzt. Am Abend sei die Lage wieder ruhig gewesen, sagte der Sprecher. Für eventuelle Ausschreitungen am Abend des dritten Adventsonntags hätten sich die Einsatzkräfte vorbereitet. Auch in anderen deutschen Städten kam es in den vergangenen Tagen zu Krawallen, darunter in Weimar, dem nordrhein-westfälischen Minden und in Frankfurt/Main.

(APA)

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