Drogenbericht: Opium für die Welt – und die Afghanen

(c) EPA (S. Sabawoon)
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Afghanistan bleibt einer der Hotspots in der weltweiten Drogenbekämpfung – neue kommen dazu. Noch immer ist es die Quelle für mehr als 90 Prozent des Opiums für die Welt.

WIEN. China, 1909: 30.000 Tonnen Opium sind im Umlauf, zwölf Millionen Chinesen sind süchtig. Jenseits des Pazifiks, in den USA, werden 90 Prozent aller Betäubungsmittel nicht für medizinische Zwecke verwendet. Das ist zu viel: In Shanghai tritt die Internationale Opiumkommission zusammen und begründet ein Drogen-Kontrollsystem, um der Situation Herr zu werden.

Wien, 2009: Genau hundert Jahre später zieht die Nachfolgeorganisation, der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB), Bilanz. Ein Jahrhundert Drogenbekämpfung – Hamid Ghodse, Präsident der INCB, spricht von einem der wichtigsten Erfolge in der internationalen Zusammenarbeit: „Die Verträge zur Drogenkontrolle gehören zu den Dokumenten mit der weltweit höchsten Akzeptanz.“

Und doch: Auch heute sei das Drogenproblem „monumental“. Vor allem aber: Es stellen sich ständig neue Herausforderungen.

Afghanistan wird süchtig

Eines der Hauptprobleme 2008 war erneut Afghanistan. Trotz der Präsenz von Nato-Truppen breitet sich der Drogenhandel über das ganze Land aus. Zwar konnten die Anbauflächen um 19 Prozent verringert werden, aber noch immer ist das Land am Hindukusch die Quelle für mehr als 90 Prozent des Opiums für die Welt, so die INCB in ihrem Jahresbericht. Auch der lukrativer gewordene Cannabisanbau hat zugenommen.

In Afghanistan selbst breitet sich der Drogenkonsum aus, 1,4Prozent der Bevölkerung sind bereits süchtig. Fehlende Sicherheitsmaßnahmen würden zudem die Bemühungen zur Bewältigung des Drogenproblems bedeutend erschweren. Der Drogenschmuggel wiederum führe zu sozialen Problemen: organisiertes Verbrechen, Korruption, noch mehr Drogensucht. Sorgen macht dem Suchtstoffkontrollrat aber auch Westafrika, das sich zum „idealen“ Hauptumschlagplatz für Kokain entwickelt hat – von Lateinamerika via Westafrika nach Europa.

Missbrauch legaler Kanäle

Noch eine neue Erkenntnis haben die UN-Drogenexperten: Immer öfter nutzen Drogenringe legale Handelskanäle, um an jene Chemikalien zu kommen, die sie zur Produktion verbotener Amphetamine wie etwa Ecstasy brauchen. Dabei verstecken sich die kriminellen Organisationen hinter Scheinfirmen, um die Chemikalien zu ordern – die durchaus auch für legale Zwecke verwendet werden. Weitere Entwicklungen im regionalen Überblick:

In Nordamerika nimmt der Missbrauch verschreibungspflichtiger Medikamente dramatisch zu. Kanada hat sich zum gewichtigen Ecstasy-Exporteur entwickelt. In Mexiko hat die Gewalt der Drogenkartelle ungeahnte Ausmaße angenommen, die Zahl der Morde im Drogenmilieu hat sich verdoppelt.

Südamerika: In Kolumbien wird trotz Gegenmaßnahmen weiterhin immer mehr Koka angebaut, 2007 um plus 27 Prozent.

Europa ist der größte Markt für Kokain und der zweitgrößte für Heroin, das ein Comeback erlebt. Cannabis ist die am weitesten verbreitete Droge. Der Schmuggel über Osteuropa nimmt zu.

Asien: Der Irak wird für Schmuggler zunehmend interessant. In Südasien werden amphetaminähnliche Substanzen immer beliebter, die HIV-Übertragung durch verseuchte Nadeln bleibt ein großes Problem.

Problem Internet-Apotheke

Neben der „klassischen“ Bekämpfung des Drogenhandels rechnet der Kontrollrat noch mit ganz anderen Herausforderungen für die nächsten Jahre: etwa „verbrecherische“ Internet-Apotheken, die insbesondere unter Jugendlichen den Drogenmissbrauch fördern. Oder auch die uneinheitliche Anwendung der Kontrollvorschriften für Cannabis, das sich auch weltweit zur am stärksten verbreiteten Droge entwickelt hat.

Umgekehrt kommt der Bericht aber auch zum Schluss, dass viel zu wenig Menschen Zugang zu kontrollierten Substanzen haben. Denn obwohl der Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneien ein Menschenrecht ist, ist er in mehr als 150 Ländern nicht existent. Hamid Ghodse: „Nach Schätzungen der WHO leiden mindestens 30, möglicherweise sogar bis zu 86 Millionen Menschen unter Schmerzen. Wir müssen sicherstellen, dass alle, die diese Mittel brauchen, sie auch bekommen.“

UNDSS

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2009)

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