Italien: Wie die Mafia Rom steuert

(c) EPA (MAURIZIO BRAMBATTI)
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Mit einem spektakulären Schlag deckten Ermittler ein bestens vernetztes kriminelles Netzwerk auf: Involviert soll auch der rechte Ex-Bürgermeister Alemanno sein.

Rom. Ermittlungen gegen mehr als 100 Personen, 37 sofort verhaftet, darunter hohe Funktionäre, Rücktritte und Absetzungen: Mit einem spektakulären Schlag räumte die italienische Polizei in der Halbwelt von Rom auf. Die Ermittlungen lagen in Händen der Antimafia-Einheiten und – an deren Spitze – des Staatsanwalts Giuseppe Pignatone: Bevor man ihn in die Hauptstadt holte, war er in Palermo und in Reggio Calabria im Einsatz. Pignatones Leute deckten ihren Aussagen nach eine spezielle, lokale Hauptstadtmafia auf, in Rom entstanden und nicht aus Sizilien oder Kalabrien importiert wie die „Zellen“ etwa in Norditalien, Deutschland und der Schweiz. Roms Mafia hat ihre Wurzeln im zerschlagen geglaubten rechtsterroristischen Milieu der 1980er-Jahre sowie im nie ausgetrockneten politischen Sumpf unter Ex-Bürgermeister Gianni Alemanno (2008–2013). Die Hauptstadtmafia war – oder ist – nicht nur eine Kriminellenbande, „sondern ein Scharnier zwischen illegaler und scheinbar legaler Welt“.

Schmutzige Deals in Flüchtlingsheimen

„Die Presse“ hatte Einblicke in Abhörprotokolle, in denen der rechtsextreme Hauptverdächtige Massimo Carminati seine Rolle beschreibt: „Die Lebenden sind oben, die Toten unten, wir stehen dazwischen. In dieser Welt treffen sich alle. Alle. Die Oberen haben ein Interesse daran, dass ihnen einer von unten Sachen erledigt, die sonst keiner hinkriegt. Bei uns mischt sich alles, und einer fragt: Verdammt, wie schafft es ein Mensch wie der da, dass er morgen mit Berlusconi zu Abend isst?“ Roms Mafia bestand aus einem Netz von unverdächtigen Unternehmen. Diese kümmerten sich um die Pflege öffentlicher Grünanlagen, um Müllabfuhr und nicht zuletzt – „das bringt mehr Geld als der Drogenhandel“, so ein Verdächtiger am Telefon – um die Unterbringung von Asylwerbern und der Roma. Für diese schüttete der Staat angesichts der Not der zahlreichen Bootsflüchtlinge Millionen aus, ohne genau hinzusehen, wo sie endeten. Mafiafahnder stellten fest, dass zusammen mit Carminati ein gewisser Salvatore Buzzi nach 24 Haftjahren wegen Mordes ein Netz an Kooperativen aufzog und diesen öffentliche Aufträge zuschanzte, indem er bestach und bedrohte.

Der Ex-Kabinettschef des linken Bürgermeisters Walter Veltroni, Luca Odevaine, der zugleich im Krisenrat des Innenministeriums zur Verteilung der Flüchtlinge saß, bekam von Buzzi ein regelmäßiges „Monatsgehalt“ von 5000 Euro; das Dreifache soll Franco Panzironi eingestrichen haben, der unter Bürgermeister Alemanno Chef der Müllabfuhr war und jetzt in Untersuchungshaft sitzt. Just unter Alemanno haben die Unternehmen der Hauptstadtmafia ihren Umsatz aufs Fünfzehnfache gesteigert, auf 40 Mio. Euro pro Jahr, und die städtischen Betriebe, natürlich von Freunden Alemannos geleitet, haben mehr als 2000 politischen Gefolgsleuten des Bürgermeisters einen Job verschafft.

Der Machtwechsel 2013 schreckte Buzzi und Carminati nicht. „Ich geh mal durch die städtischen Büros und wünsche allen einen guten Tag, dann werden wir viel Spaß haben“, so Buzzi zu Carminati. Anscheinend ist ihm mit seinen „Pferden“, die er „in den Reihen der Linken laufen hatte“ einiges gelungen: Belastet von den Ermittlungen, aber seine Unschuld beteuernd, trat der Präsident des Stadtparlaments, Mirko Coratti, zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2014)

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