Erster Testflug von europäischem Raumgleiter IXV geglückt

IXV beim Abstieg (Illustration)
IXV beim Abstieg (Illustration)ESA
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Ein Prototyp eines künftigen europäischen "Shuttles" startete am Mittwochnachmittag zu einem rund 100minütigen Testflug ins All. Danach wurde er im Pazifik von einem italienischen Spezialschiff geborgen.

Für Europas Raumfahrt und die ESA war es ein Schlüsseltag: Am Mittwoch um 14.40 Uhr MEZ startete vom Weltraumzentrum in Kourou (Französisch-Guayana) eine kleine Vega-Rakete mit einer ganz besonderen Nutzlast: nämlich sozusagen dem Prototypen eines künftigen steuerbaren Raumgleiters.

Das autogroße, rund 1900 Kilogramm schwere Gefährt namens IXV (Intermediate Experimental Vehicle) wurde in eine Höhe von 350 Kilometer geschossen und dort um 15 Uhr MEZ abgetrennt. Danach stieg es auf etwa 450 km Höhe auf und flog wieder zur Erde zurück, wobei Geschwindigkeiten von 7,7 Kilometer pro Sekunde (ca. 28.000 km/h) erreicht wurden. Beim Eintreten in die Atmosphäre ab etwa 120 km wurde es hart abgebremst und begann an der Unterseite zu glühen, auch dabei führte das IXV Flugmanöver aus. Ab etwa 26 km kamen Bremsfallschirme zum Einsatz. Rund 100 Minuten später, gegen 16.15 Uhr MEZ, landete das an sich leere und unbemannte Gefährt per Fallschirm im Südpazifik und wurde geborgen. Die Flugsteuerung befand sich in Turin.

Der Start war ursprünglich für 14 Uhr MEZ angesetzt gewesen und hatte sich wegen eines Telemetrieproblems zwischen der Vega-Rakete und dem Startzentrum in Kourou rund 35 Minuten verzögert, der Countdown war vier Minuten und 25 Sekunden vor 14 Uhr gestoppt worden; am Ende hob die Vega um 14.40 extrem schnell wie ein Pfeil ab und rauschte gen Himmel.

Wasserung im Südpazifik

Die ballistische Flugbahn verlief von Südamerika über Afrika, wo Bodenstationen in Gabun und Kenia den Flug verfolgten und die Datenbrücke aufrechterhielten. Der Abstieg begann in etwa auf der geografischen Länge von Indonesien, danach geriet IXV in den Bereich einer Bodenstation auf dem südpazifischen Inselstaat Kiribati. Weit östlich davon, in einer Region etwas nördlich des Äquators rund 4600 km westlich Kolumbiens bzw. auf der Länge Südkaliforniens, wasserte IXV und wurde von einem italienischen Spezialschiff geborgen. Die gesamte Aktion konnte live im Internet verfolgt werden.

Das italienische Bergungsschiff
Das italienische Bergungsschiff "Nos Aries" hat die Bergung des IXV vorigen Sommer vor der Toskana geprobt, jetzt ist es im PazifikESA
Aufgeblasene Schwimmer bewahrten den Gleiter bis zur Bergung vor dem Versinken
Aufgeblasene Schwimmer bewahrten den Gleiter bis zur Bergung vor dem VersinkenESA
Herangezoomt...
Herangezoomt...ESA

IXV besteht außen aus hitzebeständigen Keramiken und innen aus Kohlefaserverbundwerkstoffen, elektronische Systeme zeichnen alle Flugdaten auf und senden sie zur Erde bzw. speichern sie intern zur späteren Auswertung. Einen eigenen Antrieb besitzt IXV nicht, es benützt den Schwung vom Start durch die Vega-Rakete. Das keilförmige Objekt hat auch keine Flügel, um damit in der Atmosphäre zu manövrieren; das geschieht mittels seitlicher Steuerdüsen und aerodynamischer Klappen auf der Rückseite des fünf Meter langen, rund 2,2 Meter breiten und 1,5 Meter hohen Gleiters.

Italien als Projektführer

Gebaut wurde IXV federführend von der italienischen Weltraumagentur ASI und dem Konzern Thales Alenia Space Italia. Beteiligt sind rund 40 europäische Partner (Unternehmen, Weltraumagenturen und Universitäten) aus Italien, Frankreich, Belgien, Spanien, Portugal, der Schweiz, Schweden, Deutschland, Irland und den Niederlanden. Kostenpunkt des Projekts (ohne die Vega-Rakete): rund 150 Millionen Euro.

IXV vor der Montage auf die Vega-Rakete
IXV vor der Montage auf die Vega-RaketeESA/MANUEL PEDOUSSAUT

Das IXV soll Vorfahre eines künftigen steuerbaren und wiederverwendbaren Raumtransportersystems werden, das später auch wie ein Flugzeug landen können soll. Ein Vergleich mit den früheren Space Shuttles der USA wäre zu hoch gegriffen, ist im Prinzip aber richtig.

Als mögliche Anwendungen listet die ESA unter anderem auf: Man könnte damit benutzte obere Raketenstufen und Satelliten zur Erde zurückbringen, ebenfalls Proben fremder Himmelskörper, die von Raumsonden in eine Erdumlaufbahn zurückgeflogen wurden; Satelliten könnten mittels speziell ausgerüsteter IXVs gewartet oder betankt werden; IXV könnte Erdbeobachtungssysteme und wissenschaftliche Experimente tragen; vor allem könnte es als Frachter von bzw. von der Internationalen Raumstation ISS bzw. künftigen Nachfolgern dienen - in diesem Zusammenhang wird auch eine bemannte Variante angedacht, wodurch Europa von den russischen Sojus-Raumschiffen unabhängig würde, die seit der Ausmusterung der US-Shuttles anno 2011 ein Monopol beim Personenverkehr zwischen Erde und ISS haben.

>>> Live-Übertragung auf der ESA-Homepage

>>> Eine schöne Simulation des Missionsablaufs

Die Vega vor dem Start in Kourou
Die Vega vor dem Start in Kourou(c) MANUEL PEDOUSSAUT

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