Mäuse und Asbest: Londoner Parlament muss saniert werden

Großbritanniens
Großbritanniens "Houses of Parliament"(c) Bloomberg (Jason Alden)
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Nicht nur der Big Ben, sondern auch die Stimmung der britischen Parlamentarier dürfte sich derzeit in Schieflage befinden. Denn sie mussten neulich wegen undichter Dächer mit Kübeln Wasser auffangen.

Die britischen Houses of Parliament sind weltberühmt, der neugotische Gebäudekomplex an der Themse gilt als Schaufenster Londons zur Welt - doch hinter den stolzen Fassaden verbirgt sich eine völlig marode Bausubstanz: Wegen undichter Dächer fangen die Parlamentarier mit Mistkübeln tropfendes Wasser auf, wegen der Luftverschmutzung erodieren kunstvolle Steinmetzarbeiten, die Mauern sind mit Asbest verkleidet, die Heizanlage ist veraltet - und sogar der Glockenturm Big Ben neigt sich 46 Zentimeter aus der Vertikalen.

Hinzu kommt eine Mäuseplage - vor allem im Tea Room des Parlaments. Inzwischen wurde sogar eine Telefonnummer eingerichtet, bei der Volksvertreter Sichtungen der Nager melden können. Zudem klagen viele Parlamentarier über beengte Arbeitsbereiche.

Katze soll Mäuse jagen

Anne McIntosh etwa beobachtete spätnachts Mäuse in der Bibliothek des Unterhauses. Nun fordert die Abgeordnete, eine Katze aus einem nahe gelegenen Tierheim zur Jagd einzusetzen. "Aus irgendeinem Grund wurde meine Idee mit der Katze abgelehnt", sagt sie. "Es gibt auch Berichte über Ratten. Wir sind so nah am Fluss und es heißt, man sei in London nie mehr als fünfeinhalb Meter von einer Ratte entfernt."

Sechs Wochen vor den Unterhauswahlen schilderte Sprecher John Bercow in einer Rede Anfang März den Ernst der Lage: Wenn in den nächsten zehn Jahren nicht umfassend saniert werde, müssten Abgeordnete und Lords das Parlamentsgebäude in spätestens 20 Jahren räumen. Umgerechnet mindestens 4,2 Milliarden Euro könnte die Sanierung kosten.

Beginn der Renovierung nicht vor 2021

Während die Westminster Hall aus dem elften Jahrhundert noch intakt ist, wurde der Westminster-Palast bei einem Brand 1834 fast völlig zerstört, 1870 war der Wiederaufbau der Architekten Charles Barry und Augustus Pugin abgeschlossen. Und Teile des Unterhauses mussten nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Bombenschäden wieder aufgebaut werden. Heute gehört der weitläufige Komplex mit mehr als tausend Räumen zum Weltkulturerbe.

Eine Untersuchungskommission soll nun innerhalb von drei Monaten Maßnahmen und Kosten bestimmen. Sie geht davon aus, dass die Arbeiten nicht vor 2021 beginnen und bis zu zehn Jahre dauern könnten. John Thurso sitzt in der Kommission des Unterhauses zum Erhalt von Westminster und betont, die Renovierung sei zu lange hinausgeschoben worden. "Irgendwann wird etwas Größeres passieren, vielleicht kollabiert ein Teil des Gebäudes oder es bricht ein Brand aus - irgendein ernstes, katastrophales Ereignis", warnt er. "Wir haben den Punkt erreicht, an dem unbedingt etwas getan werden muss."

Kosten müssen Steuerzahler übernehmen

Nun ist eine Debatte über den Verbleib der Parlamentarier während der Sanierung entbrannt. Manche plädieren dafür, in die Wahlkreise zu ziehen. Schließlich finden viele, die britische Politik sei zu sehr in London zentriert. Auch Manchester und Birmingham sind als Parlamentsstandorte in der Diskussion. Doch wahrscheinlicher ist ein Umzug in nahe gelegene Gebäude wie das Queen Elizabeth II.-Konferenzzentrum, ein unspektakuläres Haus aus den 1980er-Jahren.

Die Rechnung für die enormen Sanierungsmaßnahmen erhält in jedem Fall der britische Steuerzahler - und das gerade jetzt, wo eine Reihe von Skandalen um Nebenjobs und falsche Spesenabrechnungen das Vertrauen vieler Briten in die Politik bröckeln lässt. Manche Kommentatoren finden, es sei Zeit für eine umfassende Erneuerung des Parlaments - und nicht nur seiner Gebäude. Simon Jenkins von der Tageszeitung "The Guardian" etwa plädiert für ein zeitgemäßeres, besser ausgestattetes Parlament mit weniger und dafür besser bezahlten Abgeordneten.

(APA/AFP)

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