Serbien: Belgrad soll Dubai an der Save werden

(c) REUTERS (MARKO DJURICA)
  • Drucken

Mithilfe arabischer Investoren will die serbische Regierung trotz heftiger Kritik von Stadtplanern ein Luxusviertel am Wasser errichten lassen – ohne Wettbewerb und ohne Debatten.

Belgrad. Duftspender verbreiten in den hohen Hallen einen süßlichen Geruch. Aus unsichtbaren Lautsprechern perlen dezent pulsierende Rhythmen. Uniformierte Hostessen trippeln im Informationszentrum für „Belgrad am Wasser“ um das Modell der neuen Satellitenstadt. „Dies wird das Rückgrat“, flötet eine blonde Schönheit – und weist auf den sich im Bogen zwischen den Miniaturglastürmen windenden Modellboulevard: Das ganze Gelände hinter dem heutigen Bahnhof werde „schon in der ersten Phase bebaut“.

Wenige hundert Meter entfernt künden an der künftigen Belgrader Wasserfront nur die Fahnen des Investors und die Ruinen halb abgerissener Werkstätten von dem umstrittenen Milliardenprojekt. Dort, wo nach den Plänen von Serbiens nationalpopulistischer Regierung und dem Baukonzern Emaar Properties aus den Arabischen Emiraten Müßiggänger und Geschäftsleute zwischen Bürotürmen und Shopping Malls des neuen Luxusviertels flanieren sollen, treibt angeschwemmter Unrat zwischen verrosten Flusskähnen.

„Dieses Projekt wird ganz Serbien voranbringen“, sagt Regierungschef Aleksander Vučić. Er spricht von einer „historischen Chance“. Vielen scheint das wie ein Märchen. Aber wir verändern Belgrad – und das Gesicht Serbiens: Das ganze Land wird glänzen wie diese Hochhäuser!“

Wird Serbiens geschundene Hauptstadt zum blinkenden Dubai an der Save? Zumindest die offizielle Website verheißt ein Satellitenviertel der Superlative. Ob der höchste Turm oder die größte Shopping Mall auf dem Balkan, Scheich und Emaar-Chef Mohamed Alabbar soll es möglich machen: Drei Milliarden Dollar will er in 1,8 Millionen Quadratmeter am Belgrader Save-Gestade investieren. Wie hoch die Kosten für den Staat sind und welchen Nutzen Serbien davon hat, ist ungewiss: Bis auf wenige unterzeichnete Absichtserklärungen wurde noch kein Vorvertrag veröffentlicht.

Sondergesetz durchgepeitscht

So wie das Save-Ufer derzeit aussehe, „will es niemand“, versichert Architekt Dragoljub Bakić: „Aber ein Uferpark, den alle Belgrader genießen könnten, wäre die bessere Lösung.“ Weder habe Belgrad das Wasser noch den Strom für die neue Satellitenstadt, so das Mitglied von Serbiens Architekturakademie AAS. Für das neue Viertel müsse die Stadt nicht weniger als 40.000 Parkplätze anlegen, zudem milliardenschwere Investitionen in die Erschließung des Areals pumpen: „30 Gebäude über 100 Meter und eines fast 200 Meter hoch: Auf diesem Platz lassen sich weder diese Menge noch die gigantische Quadratmeterzahl verkaufen.“

Tatsächlich sind in Belgrad bereits jetzt 100.000 Quadratmeter an Bürofläche nicht zu vermieten. Als „feuchten Traum“ des Premiers verspotten Kritiker das lang belächelte Milliardenprojekt. Die fortschreitenden Vorbereitungen und die Ankündigung des Baubeginns für den Sommer lassen jedoch nun die Gegner entschlossener die Öffentlichkeit suchen.

Den Mangel an Transparenz, der der Korruption Tür und Tor öffne, kritisiert nicht nur Transparency International. Unzählige Verstöße gegen heimische Gesetze und internationale Konventionen macht der AAS beim Durchpeitschen des Vorhabens aus. Für sein Lieblingsprojekt habe der Premier das Parlament und den Stadtrat in „Zustimmungsmaschinen“ umgewandelt, klagt der AAS. Erst kürzlich hat die Regierung ein Sondergesetz durchgewinkt, das die Enteignung für Bauvorhaben von „nationaler Bedeutung“ erleichtern – und den Baubeginn beschleunigen soll.

Forderung nach Wettbewerb

„Bürger, kauft Wohnungen“, kündigte Belgrads Oberbürgermeister, Sinisa Mali, im März den Start des offiziellen Verkaufs der ersten Luxusappartements an. Nicht nur, weil bisher weder deren Preis noch Größe bekannt ist, löste der Aufruf eine Flut höhnischer Internet-Kommentare aus. In einem Land, in dem die Durchschnittslöhne bei 400 Euro liegen, ist das Verständnis für den Werbefeldzug für das Luxusviertel begrenzt.

Architekt Bakić plädiert für eine Denkpause und die übliche Ausschreibung eines internationalen Wettbewerbs. Denn in der derzeitigen Konzeption sei „Belgrad am Wasser“ für die Stadt eine „Gefahr“: „Sie sagen, dass wir gegen Entwicklung sind. Aber eine Stadt kann sich nicht auf dem Rücken seiner Bürger entwickeln.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.