Ein „Sozialist“ aus Vermont stört Hillary-Show bei Demokraten

U.S. Senator Sanders holds news conference after announcing his candidacy for the 2016 Democratic presidential nomination, on Capitol Hill in Washington
U.S. Senator Sanders holds news conference after announcing his candidacy for the 2016 Democratic presidential nomination, on Capitol Hill in Washington(c) REUTERS
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Bernie Sanders, ein linksliberales Faktotum, erhofft sich von seiner Präsidentschaftskandidatur Auftrieb für seine Anti-Wall-Street-Agenda.

Wien/Washington. Im Hintergrund ragte die eingerüstete Kuppel des Kapitols empor, vor den Mikrofonen der zerzauste, weiße Haarkranz des Senators. Es war ein Auftritt ganz nach der Manier des selbst ernannten „einzigen Sozialisten“ im Senat, als sich Bernie Sanders auf den Rasen vor dem Kongress stellte, um seine Kandidatur für das US-Präsidentenamt anzukündigen – nicht als Unabhängiger, als der er sich üblicherweise deklariert, sondern als erster Widersacher von Hillary Clinton, der haushohen Favoritin, innerhalb der Demokraten.

Wie bei seiner achtstündigen Filibuster-Rede im leeren Senatsplenum vor wenigen Jahren sparte er dabei nicht mit Tiraden gegen Big Business und Wall Street, gegen Milliardäre wie Charles und David Koch, die spendenfreudigen Mäzene der Republikaner. Ein Seitenhieb traf indes auch Bill und Hillary Clinton: „Ich habe keine Millionäre und Milliardäre unter meinen Freunden.“ Mit einem Netzwerk an Kleinspendern hofft er, 50 Millionen Dollar aufzutreiben und so zumindest zum Auftakt in Iowa und New Hampshire Hillary Clinton die Stirn bieten zu können.

Der 73-Jährige weiß um die Aussichtslosigkeit seines Unternehmens, doch verleiht seine Kandidatur dem Wahlkampf der Demokraten eine gewisse Würze, der ansonst zur reinen „Hillary-Show“ verkommen wäre. Die Ex-Außenministerin hat ihren Fokus bisher auf die Mittelschicht und die „Everyday Americans“ gelegt. Doch dem linksliberalen Flügel der Partei und deren Lieblingen – Sanders und der populären Senatorin Elizabeth Warren –, ist Clinton wegen ihrer Nähe zu Wall-Street-Magnaten nach wie vor suspekt. Sie wird darum wohl unter Druck von links geraten, zumal auch Ex-Gouverneur Martin O'Malley mit einer Kandidatur kokettiert. Nur Warren wird sich vermutlich nicht zu einer Bewerbung breitschlagen lassen.

Vietnam-Gegner

Die Favoritin reagierte derweil gelassen-freundlich auf die Konkurrenz von links. Sie teile seine Kritik an den Exzessen des Kapitalismus. Sanders, der erklärte Pazifist, hat indessen noch eine weitere Schwachstelle Clintons ausgemacht: ihre Zustimmung zum Irak-Krieg 2003. Er wird keine Gelegenheit versäumen, ihr dies um die Ohren zu schleudern. Denn das Faktotum aus Vermont, einem Soziotop von Späthippies und Altlinken, entstammt dem vehementen Antikriegslager, das sich in den 1960er-Jahren am Zenit des Vietnam-Kriegs in der Liberty Union Party formierte.

Bernie Sanders, der Sohn polnisch-jüdischer Eltern aus Brooklyn, zog nach Vermont, wo ihn sein politisches Engagement erst ins Bürgermeisteramt nach Burlington führte, später ins Repräsentantenhaus und schließlich in den Senat. Jetzt greift er nach den höchsten Sternen. Dem Sanders-Clan liegt die Politik im Übrigen im Blut. Bruder Larry tritt bei den britischen Parlamentswahlen am Donnerstag in der altehrwürdigen Universitätsstadt Oxford für die Grünen an – und kämpft dort ebenso wie Bernie auf verlorenem Posten. (vier)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2015)

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