USA: Schock nach Rocker-Blutbad in Texas

Waco Police Department photo shows police investigators at the scene at the Twin Peaks
Waco Police Department photo shows police investigators at the scene at the Twin Peaks (c) REUTERS (Waco Police Department)
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Das FBI warnt seit Jahren vor jenen Verbrecherkartellen mit dem Pathos von Lederjacken und Motorrädern, die sich in der Stadt Waco eine Fehde mit neun Todesopfern geliefert hatten.

Waco/Washington. Acht starben noch an Ort und Stelle, einer auf dem Weg ins Krankenhaus, 18 weitere wurden teils schwer verletzt, 192 waren am Montag in Polizeigewahrsam: Ein Treffen von fünf amerikanischen Motorradbanden in der 260.000-Einwohner-Stadt Waco im US-Bundesstaat Texas endete am Sonntagnachmittag (Ortszeit) mit einer Gewaltorgie erschütternden Ausmaßes.

„In meinen fast 35 Dienstjahren ist das der gewalttätigste und grauenhafteste Tatort, mit dem ich zu tun hatte“, erklärte der Pressesprecher der Polizei von Waco. Am frühen Nachmittag hatten Mitglieder rivalisierender Biker-Gangs in einem Gasthaus der Kette Twin Peaks zu streiten begonnen. Im Nu hatten die Streitenden begonnen, mit Fäusten aufeinander einzuprügeln, dann kamen rasch Motorradketten, Prügel und Messer zum Einsatz. Letztlich verlagerte sich der Kampf auf den Parkplatz vor dem Lokal, dort kamen auch rund 30 Schusswaffen zum Einsatz.

Bandenmitglieder schossen aufeinander und auf Polizeibeamte, die sich in Erwartung des Treffens in großer Zahl an den Ort begeben hatten. „Unsere Beamten erwiderten das Feuer auf mehrere dieser Personen. Wir wissen derzeit noch nicht, ob unsere Schüsse oder jene von anderen Gangmitgliedern zu ihrem Tod geführt haben“, fügte der Polizeisprecher hinzu. „Das sind Verbrecher auf Harley-Davidsons.“

Drogen, Menschenhandel...

Die Hauptkontrahenten des Bandenkampfes waren Anhänger der Gangs Bandidos und Cossacks. Erstere wurden 1966 von dem Vietnamkriegsveteranen Donald Eugene Chambers gegründet, ihre Erkennungsfarben Rot und Gold sind den Wappen des US Marine Corps entnommen. Die Bundespolizei FBI betrachtet die Bandidos mit ihren 2000 bis 2500 Mitgliedern in den USA und in 13 anderen Ländern als organisierte Verbrecher. „Die Bandidos stellen eine wachsende kriminelle Gefahr für die USA dar“, warnt das US-Justizministerium auf seiner Website. „Die Bandidos sind am Transport und dem Vertrieb von Kokain und Marihuana beteiligt sowie an Herstellung, Transport und Vertrieb von Methamphetaminen.“

US-weit gibt es laut dem Ministerium rund 300 illegale Motorradgangs, die auch mit Menschenhandel, Zuhälterei und Waffenschmuggel Geld verdienen. Manche Bandidos nähen sich ein Abzeichen mit der Aufschrift „1%er“ auf, womit sie sich auf einen vermutlich apokryphen Ausspruch des Präsidenten des US-Motorradverbandes aus den 1960er-Jahren beziehen, demzufolge 99 Prozent der Biker gesetzestreue Bürger seien. „Wir sind die Leute, vor denen euch eure Eltern gewarnt haben“, lautet das Motto der Bandidos.

Motorradgangs werden in der Popkultur seit Jahrzehnten verklärt; beginnend mit Marlon Brandos lederner Forschheit in „The Wild One“ (1953) bis zur seit 2008 laufenden Fernsehserie „Sons of Anarchy“.

Anstreifen bei den Nazis

Die Aura kerniger Burschen, die sich auf der Landstraße ihrem eigenen Kodex männlicher Rituale unterwerfen, steht im krassen Gegensatz zur Realität dieser Form des organisierten Verbrechens. Ende der 1990er tobte in der kanadischen Provinz Québec ein Krieg zwischen Bikern, der 160 Menschenleben forderte. 2006 erschossen ebenfalls in Kanada Bandidos in Toronto acht Anhänger der Bandidos-Filiale von Winnipeg. Als die Polizei ihr Hauptquartier durchsuchte, fand sie eine Hakenkreuzflagge.

Verbindungen zwischen Bikergangs und Nazi-Gruppen finden sich auch in Skandinavien. Der 2004 verstorbene schwedische Krimiautor und Journalist Stieg Larsson beleuchtete in den 1990er-Jahren die Neonazi- und Motorradbanden in Schweden; das war die Zeit des „großen nordischen Bikerkrieges“ zwischen Bandidos und Hell's Angels, der von 1994 bis 1997 Dutzende Tote hinterließ. Larssons Recherchen brachten ihm Morddrohungen und flossen in seine „Millennium“-Krimitrilogie ein.

LEXIKON

Die Bandidos sind ein 1966 in Texas von Kriegsveteranen gegründeter Motorradklub, der sich in viele Länder (mehr als 15 allein in Europa, darunter Deutschland) verbreitet hat und sich wegen krimineller Aktivitäten (Drogenhandel, Überfälle) und Fehden mit anderen Rockerklubs einen üblen Ruf eingehandelt hat. Die einzelnen nationalen Klubs heißen Chapter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2015)

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