Venezuela: Das Drogenkartell der Generäle

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Die US-Behörden ermitteln gegen ein Netzwerk ehemaliger hochrangiger Militärs und Politiker in Caracas. Im Mittelpunkt steht Diosdado Cabello, der starke Mann des Landes.

Auf dem Pult ruht ein Holzhammer, und das ist bei Diosdado Cabello keine leere Drohung. Venezuelas Parlamentspräsident hat seine Fernsehsendung nach dem klobigen Holzhammer benannt. Via TV zieht er in der Manier seines Mentors und Vorbilds Hugo Chávez rhetorisch gegen seine Gegner her, wahlweise allesamt „Monster“, „Vampire“ oder „Schwule“. Neulich erzwang er ein Ausreiseverbot gegen unliebsame Chefredakteure und Journalisten, die einen Bericht der spanischen Zeitung „ABC“ kolportierten, der ihn als Kopf des Drogenkartells von Caracas porträtierte.

Prompt hob er zu einer Verteidigungsrede an: „Ohne jeden Beweis bezichtigen sie mich, ein Drogenhändler zu sein. Und nun bin ich ein Bösewicht. Ich fühle mich beleidigt, und keiner von denen hat sich wenigstens entschuldigt.“ Bei ausländischen Medienprodukten sind Cabello – der nominellen Nummer zwei des südamerikanischen Krisenstaats hinter Präsident Nicolás Maduro – indes die Hände gebunden. Und so wird der untersetzte, stiernackige Ex-General, der laut Beobachtern eigentliche starke Mann Venezuelas, geschäumt haben, als das „Wall Street Journal“ die Vorwürfe jetzt unterfütterte: Nach Ermittlungen der US-Drogenbehörde DEA und von Staatsanwälten in New York und Miami kommandiert Cabello ein hochkarätiges Drogennetzwerk und betreibt Geldwäsche in großem Stil.

Kokain aus Kolumbien

Seit die USA im Nachbarland Kolumbien, der langjährigen Bastion der Drogenmafia, den Kampf gegen die Produktion von Kokain forciert haben, hat sich Venezuela zum Hauptumschlagplatz etabliert. Nach US-Erkenntnissen exportieren die Drogenbosse unter der Patronanz der venezolanischen Militärs von hier aus das Suchtgift über die Karibikinseln in die USA. Cabello, sein Bruder José – Industrieminister und Chef der Steuerbehörde –, Ex-Innenminister Tarek El Aissami, der Chef der Nationalgarde und der Ex-Direktor des Militärgeheimdiensts kontrollieren demnach den schwunghaften Kokain-Schmuggel in der südamerikanischen Öl-Nation, die wegen des Verfalls des Ölpreises auf einen Kollaps zusteuert. Sie haben gleichsam ein Monopol geschaffen. Los Soles, der Name des Caracas-Kartells, soll sich vom Sonnen-Emblem an den Uniformen der Generäle ableiten.

Während in den Supermarktregalen oft Leere herrscht, Grundnahrungsmittel wie Milch, Speiseöl und Reis rar sind und die Venezolaner sich vor den Läden die Füße in den Bauch stehen, profitiert die Kaste der Neureichen aus dem Dunstkreis der Armee-Führung und der Spitze der sozialistischen Partei von der Krise und vom Kokain-Handel.

Die Insider-Informationen haben die US-Behörden in erster Linie Überläufern zu verdanken. Vor allem Leamsy Salazar, der persönliche Leibwächter von Chávez und Cabello, erwies sich als sprudelnde Quelle. Er hatte sich Ende des Jahres unter dem Vorwand, in die Flitterwochen zu reisen, nach Spanien abgesetzt, wo er den Kontakt zur US-Drogenagentur DEA suchte und auspackte. Er habe Cabello an Orte begleitet, wo „Berge von Dollar“ gehortet worden seien, plauderte er gegenüber den US-Ermittlern aus.

Diosdado Cabello gilt als Zentralfigur des Kartells. Der 52-Jährige, ein Baseball-Buddy von Hugo Chávez, diente sich an der Seite des späteren Präsidenten in der Armee hoch, er spielte eine Schlüsselrolle beim ersten, fehlgeschlagenen Putsch 1992 – und wo immer eine Schlüsselfunktion zu besetzen war, hievte ihn Chávez hin. Als Gouverneur, Vizepräsident, Stabschef, Wahlkampfmanager oder Minister zog Cabello die Fäden und häufte so immer mehr Macht an.

Diplomatischer Eklat

Für Cabello und Konsorten ist der Kronzeuge Salazar ein Verräter an der Sache der Bolivarischen Revolution, der sich vom „Klassenfeind“ USA bestechen lässt. Staatschef Maduro wittert ohnehin überall Verschwörung und Putschgefahr. Als US-Präsident Barack Obama vor wenigen Monaten im Zusammenhang mit Venezuela von einer Bedrohung der nationalen Interessen sprach, hielten das viele noch für eine Überreaktion. Wegen Korruption hatte die US-Regierung Sanktionen gegen Regierungsmitglieder in Caracas verhängt, woraufhin Venezuela George W. Bush, Dick Cheney und mehrere Kongress-Abgeordnete ebenfalls mit einem Einreisebann belegte. Maduro urgierte gar die Ausweisung des Großteils des Personals der US-Botschaft. Die Enthüllungen Salazars könnten die diplomatische Krise zwischen Caracas und Washington nun vollends auf die Spitze treiben.

ZUR PERSON

Diosdado Cabello, 52, ist Parlamentspräsident Venezuelas und gilt als der zweitmächtigste Mann des Landes nach Staatschef Nicolás Maduro. Die US-Behörden verdächtigen ihn, ein Drogenkartell zu führen und haben Ermittlungen aufgenommen. Der Ingenieur, Militär und Ex-Gouverneur von Miranda ist ein Weggefährte des verstorbenen Hugo Chávez. [ Wikimedia ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2015)

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