Wie zwei Mechaniker einen Amokläufer überwältigten

A traffic sign is pictured close to a video camera near a crime scene in Tiefenthal
A traffic sign is pictured close to a video camera near a crime scene in Tiefenthal(c) REUTERS (MICHAELA REHLE)
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Ein Mann raste durch das fränkische Leutershausen und erschoss von seinem Auto aus zwei Passanten. An einer Tankstelle überwältigten ihn zwei Mechaniker.

Wien/München. „Der Fahrer ist bewaffnet und macht rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch“ – die bayerischen Ermittler haben am Freitagvormittag eine dringende Warnung an die Bevölkerung ausgeschickt und urgiert, keinerlei Verbindung zu dem mutmaßlichen Amokläufer aufzunehmen. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass ein Mann eine 82-jährige Frau im fränkischen Leutershausen, Landkreis Ansbach, von einem Auto heraus in den Rücken geschossen hatte. Anschließend flüchtete der Täter und erschoss in einem fünf Kilometer entfernten Ortsteil einen Radfahrer (72). Beide Opfer verstarben noch an Ort und Stelle. Zwei weitere Menschen kamen während der Irrfahrt mit einem Schrecken davon: Ein Landwirt wurde in seinem Wagen angeschossen und durch Glassplitter leicht verletzt, ein anderer wurde vom Täter mit einer Waffe bedroht, aber nicht verletzt. Letzterer konnte sich das Kennzeichen des Mercedes-Cabrios merken, das anschließend von der Polizei an die Bevölkerung durchgegeben wurde. Auch in einer Tankstelle in Bad Windesheim wurde die Nachricht im Radio empfangen – was schließlich zur Verhaftung des mutmaßlichen Amokläufers führte.

Tatverdächtiger „psychisch auffällig“

Kurz vor Mittag – rund zwei Stunden nach dem ersten Schuss – bog der Täter in die Tankstelle ein und wurde von einem Mitarbeiter sofort identifiziert. Er warnte seine Kollegen, woraufhin einige flüchten konnten. Der Mann hat die übrigen Tankstellenmitarbeiter mit der Waffe bedroht, habe aber die Pistole kurz auf dem Tresen abgelegt. Während eine Mitarbeiterin die Waffe an sich riss, wurde der Tatverdächtige von zwei Mechanikern überwältigt. Offenbar haben sie seine Arme und Beine mit Kabelbindern zusammengebunden.

Für das „mutiges Einschreiten“ des Personals bedankte sich der bayerische Innenminister, Joachim Herrmann. Über den mutmaßlichen Täter ist bekannt, dass er 47 Jahre alt ist und das Auto ein Ansbacher Kennzeichen hat. Er hat eine Waffenerlaubnis sowohl für einen Revolver als auch für eine Pistole, aber keinen Waffenschein, der ihm erlauben würde, die Waffen bei sich zu tragen. Er sei der Polizei bisher nicht aufgefallen. Und seine Opfer dürfte er ersten Recherchen zufolge auch nicht gekannt haben. Die Ermittlungen gehen in Richtung zweifachen Mords und eines Mordversuchs. Das Motiv bleibt vorerst unklar.

Laut dem leitenden Oberstaatsanwalt, Gerhard Neuhof, sei der Tatverdächtige nach der Festnahme psychisch auffällig gewesen; demnach hat seine Aussage keinen Sinn ergeben. Bis Freitagnachmittag war nicht klar, ob er in U-Haft oder in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert wird. Ein Sachverständiger wurde hinzugezogen. Erschüttert und geschockt zeigte sich unterdessen der Bürgermeister von Leutershausen, Ludwig Heß. Er habe ein derartiges Verbrechen in dieser Ortschaft nicht für möglich gehalten: „Da fällt einem nichts mehr ein.“ Er habe die Hinterbliebenen bereits getroffen und auch den Tatort besucht.

Vor rund sechs Jahren ereignete sich in Ansbach ein anderer Amoklauf: Ein 18-jähriger Schüler betrat das Gymnasium Carolinum mit drei Molotowcocktails, einer Axt sowie zwei Messern. Er bedrohte und schlug wahllos seine Mitschüler und verletzte zwei von ihnen schwer. Der Täter konnte gefasst werden und wurde zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2015)

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