London: Aktivisten legten Heathrow lahm

(c) Bloomberg (Matthew Lloyd)
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Europas größter Flughafen, Heathrow, platzt aus allen Nähten und soll eine dritte Piste erhalten. Nun machen Umweltaktivisten mobil. Am Montag drangen sie auf die Flugpiste vor.

London. Aus Protest gegen eine Expansion des Londoner Flughafens Heathrow haben 13 Umweltaktivisten am Montag in den Morgenstunden für umfangreiche Störungen des Luftverkehrs in der britischen Hauptstadt gesorgt. Der Gruppe gelang es um 3.30 Uhr Ortszeit (4.30 MEZ), den Sicherheitszaun zu durchtrennen und auf der nördlichen Piste eine Blockade zu installieren. In Zeiten des globalen Terrorismus rief das offensichtliche Versagen der Sicherheitsüberwachung große Besorgnis hervor, auf die der Flughafenbetreiber mit der vergleichsweise lahmen Aussage reagierte: „Ein sicherer Flughafen ist unsere höchste Priorität.“

Die Aktivisten der Gruppe Plane Stupid (ein Wortspiel, das phonetisch sowohl offensichtlich dumm als auch dummes Flugzeug bedeuten kann) bezeichneten den Ausbau von Heathrow als „gegen alles gerichtet, was uns Wissenschaftler und Experten über den Klimawandel sagen“. Mehr Flugverkehr würde mehr CO2-Belastungen bringen: „Ohne Wenn und Aber: keine dritte Piste“, fordern daher die Umweltaktivisten.

Wirtschaft braucht dritte Piste

In der Vorwoche hatte eine Expertenkommission nach jahrelangen Beratungen eine Empfehlung für die Ausweitung des Flughafens im Westen Londons durch den Bau einer dritten Piste abgegeben. Entscheidend waren die erwarteten Auswirkungen auf die Wirtschaft: „Heathrow bietet Langstreckenverbindungen, die für die Zukunft der britischen Wirtschaft von großer Bedeutung sind“, sagte Kommissionsvorsitzender Howard Davies.
Nach Berechnungen der Expertengruppe, die 2012 von Premierminister David Cameron eingesetzt worden ist, bringt die Expansion von Heathrow über den Zeitraum der nächsten 60 Jahre der Wirtschaft 147 Mrd. Pfund (207 Mrd. Euro) durch Investitionen und Handel. Bis 2050 sollen zudem 70.000 neue Jobs entstehen.

Mit Gesamtkosten von 17,6 Mrd. Pfund war der Bau einer neuen Piste in Heathrow die teuerste der drei Optionen, die von der Kommission geprüft wurden. Die beiden anderen waren eine Verlängerung der bestehenden Pisten in Heathrow oder eine neue Piste auf dem Flughafen Gatwick. Die Regierung will nun bis Herbst entscheiden, hat aber bereits klargemacht, dass man den Expertenbericht „sehr ernst“ nehmen werde. Schatzkanzler George Osborne, der starke Mann in der Regierung, ist für die dritte Piste und ließ in seiner Budgetrede in der Vorwoche keinen Zweifel an ihrer Realisierung.

Dennoch ist diese dritte Piste in Heathrow die umstrittenste Option – und zwar nicht nur wegen der Kosten. Anrainer fürchten eine weitere Zunahme des Flugzeuglärms und des Verkehrsaufkommens um den Flughafen. Einige prominente Kabinettsmitglieder haben hier ihre Wahlkreise und sind ihren Wählern mit einem wohl unhaltbaren Versprechen im Wort.

Provisorium aus Kriegszeiten

Wie vieles im Land ist Heathrow ein zum Dauerzustand gewordenes Provisorium: Der heutige Flughafen geht zurück auf einen Luftwaffenstützpunkt im Westen der Stadt. Wurde der Ort damals gewählt, weil er für die deutsche Luftwaffe schwer zu erreichen war, hat er bis heute den Nachteil, dass der Großteil des Flugverkehrs über die Stadt geführt werden muss. Aus den einstigen Baracken ist heute mit einem jährlichen Passagieraufkommen von zuletzt 73,4 Millionen Menschen im Jahr 2014 der größte Flughafen Europas geworden. Zum Vergleich: Der zweitplatzierte Frankfurt Airport kommt auf knapp 60 Millionen Reisende im Jahr. Mit 470.695 Flügen im Vorjahr befindet sich Heathrow längst an der Kapazitätsgrenze, kleinste Störungen haben oft massive Auswirkungen, wie leidgeprüfte Passagiere nur allzu oft erleben müssen. Mit einem Milliardenprogramm werden derzeit die Terminals erneuert, das größte Problem stellen aber die (zu) knappen Lande- und Startplätze dar, die wegen der hohen Nachfrage auch extrem teuer sind.

Der Expertenbericht will die Ausweitung von Heathrow nur unter strengen Auflagen befürworten. Nachtflüge zwischen 23.30 und 6 Uhr früh sollen verboten, die Umwelt- und Lärmbelastung streng überwacht werden, und Luftlinien sollen eine zweckbestimmte Abgabe entrichten, die für Lärmschutzinvestitionen verwendet werden soll.

Als Oppositionsführer reiste Cameron 2009 mit Kameras nach Heathrow und pflanzte einen Baum als Symbol für seinen Widerstand gegen die Ausweitung des Flughafens. Was aus der zarten Pflanze wurde, ist nicht überliefert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2015)

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