„Nigger sollen tot sein“: Prozess um Nazi-Eltern

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Das Mädchen kam mit Hakenkreuz zur Schule und plapperte Naziparolen. Den Eltern wurde das Sorgerecht entzogen. Ein Gericht muss nun klären, ob der Staat aus dem Grund so weit in die Familiensphäre eingreifen darf.

WINNIPEG/OTTAWA. In Winnipeg, der Hauptstadt der kanadischen Provinz Manitoba, läuft ein besonders brisanter Rechtsstreit: Das Jugendamt hat einem Elternpaar das Sorgerecht für die beiden Kinder entzogen, nachdem die siebenjährige Tochter zweimal mit einem aufgemalten Hakenkreuz am Arm in der Schule erschienen war.

Ermittlungen ergaben, dass die Eltern klar der Nazi-Ideologie zuneigen und sie ihre Kinder Hasspropaganda aussetzten. Ein Gericht muss nun klären, ob der Staat aus dem Grund so weit in die Familiensphäre eingreifen darf.

Im Vorjahr war das Mädchen mit dem Hakenkreuz in der Schule. Ein Lehrer wusch es ab, doch tags darauf kam das Kind damit zurück. Auf dem Körper waren weitere Symbole, die für Rechtsextremismus und Herrschaft der Weißen stehen. Darauf angesprochen meinte sie, dass alle schwarze Menschen sterben sollten.

Die Schule informierte das „Child and Family Service“, quasi das Jugendamt. In der Wohnung von Mutter und Stiefvater (Namen der Beteiligten dürfen laut kanadischem Recht nicht genannt werden) fand man Neonazisymbole. Das Amt übernahm einstweilen die Vormundschaft über den zweijährigen Sohn und das Mädchen. Es begründete das unter anderem mit der Sorge über „psychologische Folgen für die Kinder, die aus dem akuten Hass der Eltern auf andere Menschen“ resultieren könnten.

„Das ist die Welt der Weißen“

Aussagen von Sozialarbeitern zu Beginn des Verfahrens, in dem es darum geht, ob das Jugendamt die dauerhafte Vormundschaft bekommt, zeichneten dieser Tage ein drastisches Bild. So soll das Mädchen in rassistischer Propaganda versiert sein. Sie wisse, dass mit dem Hakenkreuz „Heil Hitler“ verbunden ist, und habe gesagt, dass Menschen anderer Rassen, insbesondere „Nigger“, tot sein sollten, weil das „die Welt der Weißen“ sei.

„Wenn du einen Freund hast, der nicht weiß ist, bin ich nicht mehr deine Mutter“, habe diese ihr gesagt, gab das Mädchen in Gesprächen mit Sozialarbeitern an. Man habe gemeinsam auch „Skinhead-Videos“ angesehen.

Die Behörde gab an, es gehe nicht um politische Ansichten der Eltern, sondern darum, dass sie ihr Kind als „Werbetafel“ benutzt hätten. Auch seien in der Familie Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie häusliche Gewalt virulent.

Die Elternteile, die heute getrennt leben, kämpfen jeweils für ihr eigenes Sorgerecht. Die Mutter hat Manitoba verlassen und nimmt am dortigen Prozess nicht teil; sie sagte in einem Interview, sie sei keine Nazi, sondern „stolze Weiße“. Beide meinten, das Hakenkreuz sei nur das „nordische Symbol für Frieden, Leben, Neuanfang“.

Nichtsnutz und Skinhead

Zugleich soll der arbeitslose und laut Verwandten „nichtsnutzige“ Stiefvater erklärt haben, er habe sein Leben dem „Skinhead-Dasein“ gewidmet und wolle sich nicht ändern, so die „Winnipeg Free Press“.

Der Fall hat eine Debatte darüber ausgelöst, wie weit die Rechte des Jugendamts gehen. Professor Helmut-Harry Loewen von der Universität Winnipeg sagte, es würde ein gefährlicher Weg eröffnet, wenn Sorgerecht mit politischen oder religiösen Überzeugungen junktimiert werde. Andere Juristen erwidern, die Behörden hätten im Sinne des Wohlergehens des Kindes richtig gehandelt.

AUF EINEN BLICK

In Winnipeg (Kanada) kam ein achtjähriges Mädchen mit Nazisymbolen in die Schule. Als sich herausstellte, dass die Eltern Neonazis sind, wurde ihnen das Sorgerecht aberkannt. Nun tobt deswegen ein Rechtsstreit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2009)

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