Chinas Krieger, die aus dem Jenseits zurückkehren

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Archäologen begannen dritte Ausgrabungsphase der Terrakotta-Armee. Die Ausgrabungsarbeiten waren jahrelang gestoppt worden, weil die ursprünglich reichlich bemalten Figuren bzw. deren Bruchstücke in kürzester Zeit ergrauten.

XIAN. Zhifa Yang ist wohl der berühmteste Bauer der Welt, ganz gewiss ist er der am meisten fotografierte. Aber das inzwischen 72-jährige Männchen macht nicht den Eindruck, als ob er sich seiner Popularität bewusst wäre. Bescheiden gekleidet, brav wie ein Erstklässler sitzt er im Souvenirladen an einem Tisch und signiert mit flüssigen Zügen die Bildbände, die ihm die Touristen von allen Seiten entgegenstrecken. Nur die Zigarre, von der er ab und zu genussvoll einen Zug nimmt, verrät, dass er halt doch kein ganz normaler chinesischer Bauer ist.

Ende März 1974 gruben Zhifa Yang und ein paar andere Bauern aus dem Dorf Xijang, rund 40 Kilometer von der alten Kaiserstadt Xian entfernt, auf einem Feld nach einem Brunnen. Wasser fanden sie keines, aber in fünf Metern Tiefe stießen sie auf Terrakotta-Stücke. Einige wollten das Loch gleich wieder zuschütten, aber vor allem Yang soll darauf bestanden haben, den Fund untersuchen zu lassen.

Auf dem Feld, wo die Bauern einen Brunnen hatten graben wollen, stehen jetzt mehrere riesige Museumshallen. Durch schmale Dachfenster fällt Sonnenlicht auf lange Gräben, in denen über 1000 Soldaten samt Pferden, geformt aus gebranntem Ton, in Reih und Glied stehen.

„Das achte Weltwunder“, wie manche die Terrakotta-Armee des Imperators Qin Shi Huang bezeichnen, lockt inzwischen jährlich über drei Millionen Touristen nach Xian, die versmogte Hauptstadt der Provinz Shaanxi. Sie zählt inzwischen neben der Großen Mauer und der Verbotenen Stadt in Peking zu den imposantesten Touristenattraktionen Chinas.

Neue Farbschutztechnik

Kaiser Qing Shi Huang (259 bis 210 vor Chr.), unter dessen effizienter, aber grausamer Herrschaft einst die erste Einigung Chinas gelang, ließ die über 8000 Figuren starke Terrakotta-Armee von 720.000 Zwangsarbeitern von 246 bis 208 v. Chr. formen; sie sollte den Kaiser in den Tod begleiten und ihn im Jenseits beschützen. Die hunderttausenden „Zwangskünstler“, von denen sich einige in den Gesichtern der lebensgroßen Terrakotta-Krieger verewigten, sollen nach getanem Werk alle umgebracht worden sein. Niemand sollte etwas über die kaiserliche Jenseits-Truppe wissen. Auch die Überreste der Schöpfer der Terrakotta-Krieger dürften irgendwo im Umkreis der Grabanlage in der Erde ruhen.

Am Wochenende wurde in Xijang die dritte Ausgrabungsphase begonnen. Die Ausgrabungsarbeiten waren jahrelang gestoppt worden, weil die ursprünglich reichlich bemalten Figuren bzw. deren Bruchstücke in kürzester Zeit ergrauten, sobald sie mit Sauerstoff in Berührung kamen. Zusammen mit Wissenschaftlern aus Bayern soll nun eine Technik entwickelt worden sein, um den Farbüberzug der Terrakotta-Krieger dauerhaft zu schützen; sie wird nun getestet.

Die Archäologen schließen nicht aus, dass im Zuge der mindestens auf ein Jahr angelegten neuen Ausgrabungen bis zu 5000 weitere Terrakotta-Krieger freigelegt werden könnten. Die Hoffnung ist groß, dass man dabei auch auf hochrangige Offiziere der Tonarmee stößt. Denn die Ausbeute an Generälen bei den bisherigen Grabungen war rar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2009)

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