Amnesty: Westen verübt mehr Menschenrechtsverbrechen

Amnesty kritisiert die Behandlung von Flüchtlingen.
Amnesty kritisiert die Behandlung von Flüchtlingen.(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Krieg, Folter, mangelnde Rechtsstaatlichkeit: Im Jahresbericht 2015 prangert die Menschenrechtsorganisation erhebliche Missstände an. Auch Österreich wird kritisiert.

Der Menschenrechtsbericht 2015 von Amnesty International gibt eine düstere Bilanz ab: In 122 der 160 untersuchten Ländern wurden Menschen gefoltert oder anderweitig missbraucht. In zwei Drittel der Staaten sind Presse- und Meinungsfreiheit bedroht, in jedem zweiten Land verzeichnete die NGO unfaire Gerichtsverfahren.

Die Lage der Menschenrechte hat sich weltweit massiv verschlechtert, sagte Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch. "Es erschlägt einen, was im Bericht steht", so Çalışkan, Lichtblicke gäbe es nur wenige. Dabei kritisiert die Organisation nicht nur jene Länder, die seit Jahren für unzureichende Menschenrechte bekannt sind - also etwa China, Saudi Arabien oder Russland. Auch viele europäische Staaten haben 2015 gegen Völkerrecht verstoßen.

"Größte Tragödie dieses Jahrhunderts"

Mitverantwortlich für die prekäre Menschenrechtslage - und dem somit schlechtesten Bericht seit Jahren - ist laut Amnesty das Versagen der internationalen Gemeinschaft in der Flüchtlingspolitik. Den Bürgerkrieg in Syrien und seine Folgen nannte Çalışkan "eine der größten Tragödien dieses Jahrhunderts". 60 Millionen Menschen seien auf der Flucht. Die internationale Gemeinschaft zeige "weder den politischen Willen noch die Kompetenz, angemessen mit der Fluchtbewegung gemeinsam umzugehen". Mindestens 30 Länder hätten Völkerrecht gebrochen, indem sie Flüchtlinge illegal in Länder zurückgeschickt haben, in denen ihr Leben bedroht war.

Kritik an europäischer Flüchtlingspolitik

So kritisierte Amnesty das Vorgehen der deutschen Regierung, Marokko, Tunesien und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären und Flüchtlinge wieder dorthin zurückzuschicken. In den drei Ländern gebe es schwerwiegende menschenrechtliche Probleme, wie Folter oder Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge in Deutschland begrüßt Amnesty, damit verbundene Gesetzesverschärfungen und "Hassverbrechen" der Bevölkerung prangerte der Bericht aber an.

Auch Österreich kommt mit seiner Asylpolitik nicht gut weg: Bereits im August 2015 wurde das Land für den unzulässigen Umgang mit Flüchtlingen kritisiert. Die Situation im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen bezeichnete die Organisation damals als einen "Skandal der Nachlässigkeit".

"Viele Regierungen haben im vergangenen Jahr internationales Recht gebrochen und gleichzeitig die Macht der Institutionen beschnitten, die eigentlich die Rechte der Menschen schützen sollen", kommentierte Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, den veröffentlichten Bericht. Auch er kritisierte vehement den Kurswechsel in der österreichischen Asylpolitik. 

Außerdem beanstandete Amnesty die Vernachlässigung österreichischer Häftlinge und den Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt durch die Polizei. Positiv hervorgehoben wird die Aufhebung des Adoptionsverbotes für gleichgeschlechtliche Paare durch den Verfassungsgerichtshof. 

Notstandsgesetz in Frankreich fraglich

Neben Österreich und Deutschland stehen noch andere westliche Länder in der Kritik: Die neue Regierung in Polen beschränkt die Meinungsfreiheit, Ungarn verstoßt mit seiner "flüchtlingsfeindlichen" Politik gegen Völkerrecht. Zu viele Regierungen schränkten im Kampf gegen bewaffnete Gruppen wie Boko Haram oder den "Islamischen Staat" (IS) ihrerseits die Freiheitsrechte ihrer Bürger ein, kritisierte Amnesty. Als Beispiel dafür nannte die NGO Frankreich: Die neuesten Regelungen für den Ausnahmezustand seien "zunehmend fraglich". Seit den Terrorangriffen in Paris Mitte November durchsuchten die Behörden mehr als 3000 Häuser.

Scharfe Kritik übte Amnesty auch an der Menschenrechtslage in der Türkei, vor allem die schweren Kämpfe zwischen türkischen Sicherheitskräften und kurdischen Rebellen. Demnach häuften sich Fälle von exzessiver Polizeigewalt und Misshandlungen. Kritisch sieht Amnesty außerdem das Vorgehen der türkischen Behörden infolge des Aktionsplans, den Ankara zur Begrenzung des Flüchtlingsandrangs mit der EU geschlossen hatte. So hätten nach der Vereinbarung willkürliche Festnahmen und Abschiebungen von Flüchtlingen zugenommen.

Die Menschenrechtsorganisation rief US-Präsident Barack Obama auf, das Gefangenenlager in Guantánamo noch in seiner Amtszeit zu schließen. Guantánamo sei ein Synonym für willkürliche Haft und Folter geworden, sagte Çalışkan.

>>> Amnesty International Österreich

>>> Englischer Amnesty International Bericht

(Red./Ag.)

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