Kanada: Aufruhr im Land des balzenden Rebhuhns

(c) AP
  • Drucken

Weil die Mohawk bewaffnete Beamte auf ihrem Territorium ablehnen, sperrte die Regierung den Grenzübergang zu den USA. „Das ist unser Territorium“, sagt ein älterer Mohawk.

Cornwall. Seit mehr als einem Monat ist der Grenzübergang Cornwall zwischen Kanada und den USA unpassierbar: Weil sich die Mohawk-Indianer von Akwesasne dagegen wehren, dass kanadische Grenzbeamte künftig auf ihrem Territorium Waffen tragen, hat die Bundesregierung den auf indianischem Gebiet liegenden Grenzübergang geschlossen. Für die Indianer und die Stadt Cornwall hat dies erhebliche Nachteile für Wirtschaft und Sozialleben. Aber Sicherheitsminister Peter Van Loan bleibt hart.

„Das ist unser Territorium“, sagt ein älterer Mohawk. „Keine Schusswaffen. Nur Polizisten dürfen Waffen tragen.“ Neben dem verwaisten Grenzgebäude steht eine Indianerskulptur mit einem Schild: „Your Gun Killed Me“ ist darauf geschrieben – „Eure Waffe tötete mich“. „Das ist Jake Ice. Er wurde von kanadischen Polizisten erschossen“, erklärt der Mohawk. Der Aktivist wurde 1899 in einem Handgemenge getötet.

Der Grenzübergang bei Cornwall, eine Stunde von Ottawa und Montreal entfernt, ist einzigartig unter den 150 kanadischen Grenzstellen: Er liegt auf indianischem Gebiet – auf der Cornwall-Insel im St.-Lorenz-Strom. Die Insel ist Teil der 100 Quadratkilometer großen Akwesasne-Reservation, die zu Kanada und den USA gehört. Die offene Grenze ist für die kanadische Stadt Cornwall und für die US-Stadt Messina lebensnotwendig: Familien leben beiderseits der Grenze. Für Schul- und Arztbesuche pendelt man hin und her. Die wichtige Verbindung zwischen Ontario und dem US-Staat New York verläuft durch das Akwesasne-Gebiet – das bedeutet übrigens: „Wo das Rebhuhn trommelt“ oder „Wo das Rebhuhn balzt“.

Kanadas konservative Regierung will bis 2016 die Grenzen zu den USA sicherer machen: Deswegen sollten alle Beamten seit 1.Juni Waffen tragen – so wie ihre US-Kollegen. Dies lehnt der „Rat von Akwesasne“ aber ab. „Die Bewaffnung wird als direkte Verletzung unserer Souveränität gesehen“, erklären die Mohawk, eines der Völker des Irokesen-Bundes. Zu einem Kompromiss wegen der besonderen Lage in Cornwall ist Ottawa nicht bereit.

Schikanen durch Grenzer

Der Widerstand ist groß, weil die Grenzstation in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern liegt. Hinzu kommt, dass die Mohawk seit Jahren eine in ihren Augen rassistische Behandlung durch kanadische Grenzer beklagen. Einige Beamte würden bewusst die Konfrontation suchen und Indianer demütigen. Jugendliche würden besonders genau untersucht. 200 bis 300 Beschwerden sind bei der Grenzbehörde und zwei Beschwerden bei der Menschenrechtskommission Kanadas eingereicht worden.

Tracie Leblanc, Sprecherin der Canadian Border Services Agency (CBSA), weist dies zurück. Kontrollen würden aufgrund Risikoeinschätzung unabhängig von Hautfarbe, Sprache oder Religion vorgenommen. CBSA fühle sich einer fairen Behandlung ohne Diskriminierung verpflichtet. Die Indianer befürchten, dass Waffen in den Händen der Grenzer die Beziehungen zusätzlich belasten könnten. Die Entwicklung steuere dem Siedepunkt entgegen. Manche Mohawk könnten sich auf Selbstverteidigung einstellen.

Als am 31. Mai Mohawk mit einer Demonstration am Grenzgebäude zeigten, dass sie nicht nachgeben, schloss Kanada den Grenzübergang und zog die Beamten zurück. Mit einer Klage vor einem Bundesgericht wollen die Mohawk den Minister zwingen, die Grenze wieder zu öffnen. Für Einkäufe und Familienbesuche müssen sie derzeit einen Umweg von 50 bis 100 Kilometer fahren.

Ende für kleinen Grenzverkehr?

Unterstützung bekommen sie von der Handelskammer und der Stadt Cornwall. „Wir haben sehr gute Beziehungen zu den Mohawk“, sagt Paul Lefebvre, Vizepräsident der Handelskammer. Durch die Grenzschließung würden einige Geschäfte täglich bis zu 10.000 Dollar einbüßen.

Empört ist die Handelskammer, dass der Minister droht, den Übergang auf Dauer zu schließen oder einfach zu verlegen, wenn die Mohawk nicht nachgeben. Der Streit dürfte jedenfalls die Behörden auf beiden Seiten der Grenze noch länger beschäftigen.

LEXIKON

Die Cornwall-Insel im St.-Lorenz-Strom, eine Stunde von der kanadischen Hauptstadt Ottawa entfernt, ist Teil der 100 km2großen Akwesasne-Reservation, die auf kanadischem und auf US-Gebiet liegt. Die Reservation gehört den Mohawk, ein Volk des Irokese-Bundes. Rund 12.000 Menschen leben dort. Sie pendeln zwischen den beiden Staaten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.