Verbotsverfahren: NPD kämpft um ihr Überleben

Die Verfassungsrichter in Karlsruhe.
Die Verfassungsrichter in Karlsruhe.APA/AFP/DPA/ULI DECK
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Vor dem deutschen Verfassungsgericht in Karlsruhe wird die kommenden drei Tage über die Zukunft der rechtsextremen Partei NPD entschieden.

Zum Auftakt des Verbotsverfahrens gegen die NPD vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht haben die Anwälte der rechtsradikalen Partei Befangenheitsanträge gegen zwei Richter gestellt. NPD-Anwalt Peter Richter warf dem ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller und dem ehemaligen thüringischen Innenminister Peter Huber am Dienstag in Karlsruhe Voreingenommenheit vor. Das Verfassungsgericht will im Laufe des Tages über die Anträge entscheiden.

Sechzig Jahre ist es her, dass in Deutschland zuletzt eine Partei verboten wurde. Nun kämpft die NPD in Karlsruhe um ihr Überleben. Das Verfahren steht unter den Eindrücken einer neuen Welle der Fremdenfeindlichkeit bis in die Mitte der Gesellschaft. Vor gut drei Jahren dürfte niemand erwartet haben, dass Anfang 2016 in Deutschland Flüchtlingsheime brennen. Dass die neue rechtspopulistische Partei AfD (Alternative für Deutschland) die etablierten Politiker ernsthaft in Bedrängnis bringt. Dass in Dresden Woche für Woche Tausende "Wutbürger" und Anhänger der Pegida auf die Straße gehen.

Damals, im Dezember 2012, beschloss der deutsche Bundesrat nach langem Hin und Her einen neuen Anlauf für ein Verbot der rechtsextremen NPD. Das Vorhaben passt ins politische Klima Deutschlands: Als Ende 2011 der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) aufflog, entstand der Verdacht, die Terrorzelle, die verantwortlich für zehn überwiegend fremdenfeindlich motivierte Morde in Deutschland war, könnte der bewaffnete Arm der NPD sein. Also ergriffen die Länder die Initiative - die Demokratie soll sich zur Wehr setzen.

250 Seiten langer Verbotsantrag

250 Seiten lang ist der Verbotsantrag. Darin stellten sie zusammen, was die NPD mit ihren gut 5000 Mitgliedern in ihren Augen zum Verfassungsfeind mache: Die Hetze gegen Ausländer und Andersdenkende; das Gerede von "Ausländerrückführung", "Überfremdung", "Orient-Krawallos" und "artgemäßer Partnerwahl"; die offensichtliche "Wesensverwandtschaft" zum Nationalsozialismus.

Es hat gereicht, um das deutsche Bundesverfassungsgericht davon zu überzeugen, das Hauptverfahren einzuleiten. Drei Tage lang wird kommende Woche in Karlsruhe verhandelt, von Dienstag bis Donnerstag. Die Richter stellen sich darauf ein, dass mit harten Bandagen gekämpft wird. Schließlich geht es am obersten deutschen Gericht diesmal nicht nur um eine komplizierte Rechtsfrage, sondern ums politische Überleben einer Partei. Ob der Fall NPD wirklich schon nach drei Verhandlungstagen entscheidungsreif ist, weiß niemand. Bis zum Urteil dürften in jedem Fall Monate vergehen.

V-Leute-Problematik könnte Prozess scheitern lassen

Die NPD hat bisher inhaltlich nicht zu den Vorwürfen Stellung bezogen, dafür aber schon in einigen Medien eine Strategie ausgebreitet, die ganz auf der V-Leute-Frage fußt. Daran war 2003 schon einmal alles gescheitert. Mitten im Vorverfahren stellte sich heraus, dass der Verfassungsschutz etliche Informanten - sogenannte V-Leute - bis in die Führungsspitze der Partei hatte. Die Enthüllungen ließen das Verfahren platzen.

Der Rechtsextremismus-Experte Fabian Virchow von der Hochschule Düsseldorf ist sich sicher, dass die V-Leute-Problematik auch diesmal für die NPD "einer der zentralen Hebel sein wird". "Möglicherweise werden sie jemanden outen und als V-Mann vorführen", vermutet er. In der Gliederung für die Verhandlung taucht die "Quellenfreiheit" gleich im zweiten Punkt unter "Verfahrenshindernisse" auf.

Auf Bitten des Gerichts haben die Länder vier Aktenordner mit Belegen für die "Abschaltung" von insgesamt elf V-Leuten bis spätestens Dezember 2012 nachgereicht - interne Vermerke, Gesprächsprotokolle, E-Mails. Auf 140 weiteren Seiten wurde im vergangenen Sommer dargestellt, welche Rolle die NPD bei der aktuellen Hetze gegen Flüchtlinge spiele und "wie tief der braune Sumpf in Teilen Deutschlands bereits vorgedrungen" sei, wie der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD), damals erklärte.

Letzter Ausweg Straßburg

Als allerletzter Ausweg bliebe der NPD womöglich der Gang vor den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. Denn die Europäische Menschenrechtskonvention setzt einem Parteiverbot noch höhere Hürden als das deutsche Grundgesetz. Hier reicht nicht die aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der demokratischen Grundordnung, wie sie das Verfassungsgericht beim KPD-Verbot 1956 definiert hat. Ein Verbot ist nur dann gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz der demokratischen Ordnung auch wirklich notwendig ist.

Virchow kann sich aber gut vorstellen, dass die Karlsruher Richter dies ohnehin im Hinterkopf haben und ihre Kriterien für ein Verbot womöglich von vorneherein um diese Komponente erweitern. Dafür spricht, dass es in der Verhandlung laut Gliederung auch um die "Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention" gehen soll.

(APA/dpa)

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