Der verborgene Schatz von Rom

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ITALY-CULTURE-TORLONIA-SCULPTURE-HISTORY(c) APA/AFP/Fondazione Torlonia Onlu (STR)
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Die römische Adelsfamilie Torlonia hält eine der größten Antikensammlungen der Welt unter Verschluss. Erst jetzt hat sie einer vorsichtigen Öffnung zugestimmt.

Rom. Sie gilt als eine der größten und wichtigsten Antikensammlungen der Welt. Mit den Vatikanischen Museen und den Kapitolinischen Museen in Rom spielt sie in einer Liga. Nur: Es bekommt sie so gut wie niemand zu sehen. Die Sammlung ist privat. Sie gehört der römischen Fürstenfamilie Torlonia, und diese hält dermaßen eisern die Hand über ihre Schätze, dass selbst Denkmalschützer und Kunsthistoriker monatelang auf Einlass warten müssen – wenn sie überhaupt Gelegenheit dazu bekommen. Abgesehen davon: Gut 600 Kunstwerke, knapp die Hälfte des Bestands, sind seit vier Jahrzehnten in Plastikfolie eingepackt und weggeräumt.

Spekulanten und Banker

In Rom gilt das als Skandal. Aber keiner Regierung, keinem Bürgermeister ist es bisher gelungen, die Familie umzustimmen; genutzt haben weder Geldangebote noch Enteignungsdrohungen. Doch jetzt hat Kulturminister Dario Franceschini die „historische Wende“ verkündet: Ministerium und Familie haben einen Vertrag unterzeichnet, der als Erstes – wenn auch frühestens für Ende 2017 – eine Ausstellung repräsentativer Werke als Kostprobe vorsieht. Für später, so heißt es auffallend vorsichtig, hätten die beiden Parteien „ein organisches Programm im Sinn“, um die Sammlung dauerhaft der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Die Torlonia sind unter den Colonna, Barberini, Pamphilj, Orsini, Borghese, Odescalchi und wie sie alle heißen, die Jüngsten im römischen Hoch- und Stadtadel. Im 18. Jahrhundert aus Frankreich eingewandert, wurden sie als Spekulanten und Banker steinreich. Sie ließen sich Kredite an die verarmte römische Nobilität gern in Ländereien, antiken Fundstücken und Familiensammlungen zurückzahlen. Als die schließlich größten Grundbesitzer im Kirchenstaat rafften sie an Statuen, Büsten, Sarkophagen alles zusammen, was der eigene Boden hergab.

1866 gelang ihnen der bedeutendste Coup: Die Torlonia kauften auf römischem Stadtgebiet die Villa Albani, in der ein kunstsinniger Kardinal dieses Namens, geleitet vom deutschen Archäologen und Kunsthistoriker Johann Joachim Winckelmann, mit die edelsten Marmor- und Bronzeskulpturen der römischen Antike zusammengetragen hatte, dazu eine Reihe ägyptischer Statuen. Die gepflegte Villa Albani, umgeben von einem weitläufigen, eher vernachlässigten Park, präsentiert sich bis heute im Originalzustand des 19. Jahrhunderts – für das Publikum aber ist diese Wunderkammer unzugänglich. Maximal hundert Besucher pro Jahr erhalten Zutritt, und einer der Kustoden wirbt beim Rundgang um Verständnis: Die Villa sehe zwar aus wie ein Schloss, sei aber nie als Wohn- und Prunkpalast angelegt worden, sondern nur als eine Art kleiner, feiner Ausstellungsvitrine, deren schmale Gänge, Kabinette und alte Parkettböden für keinerlei Massenzustrom geeignet seien: „Dann wäre in einem halben Jahr alles kaputt.“

So schließt der Vertrag zwischen dem Haus Torlonia und dem Ministerium die Villa Albani ausdrücklich von der Öffnung aus. Zugänglich wird nur die zweite Hälfte des Familienbesitzes, der Palazzo Torlonia aus dem 17. Jahrhundert im Stadtviertel Trastevere, und der hat seine eigene, nicht eben ruhmreiche Geschichte: In 77 Sälen waren dort 620 Kunstwerke ausgestellt; Experten hatten Zutritt – bis Fürst Alessandro als Familienoberhaupt vor gut vierzig Jahren bei der Stadtverwaltung um eine Genehmigung für die Ausbesserung des Daches ansuchte. Was er dann ohne jegliche Genehmigung tat, war etwas ganz anderes: Er baute den Palazzo in eine Ansammlung von 93 lukrativen Mietwohnungen um und verräumte die antiken Schätze in ein Untergeschoß, wo sie bis heute stehen, „zusammengedrängt in engen, gefährlichen, ungeeigneten Räumen und nach kulturellen Gesichtspunkten für einen sicheren Tod bestimmt“, wie das italienische Höchstgericht schon 1979 befand – ohne dass sich seither viel daran geändert hätte.

Dass die Aufbewahrung nicht optimal ist, mussten die Torlonia im Vertrag mit dem Ministerium indirekt zugeben – sie verpflichteten sich, die Statuen vor der Präsentation auf eigene Kosten zu restaurieren. Das klingt nobler als vor ein paar Jahrzehnten, als Fürst Alessandro für die Öffnung der Schätze die Baugenehmigung für ein Großparkhaus auf denkmalgeschütztem Stadtboden verlangt hat.

Teure Erhaltungskosten

Was aber hat die Torlonia zum Umdenken bewogen? Zum einen offenbar finanzielle Gründe, die sogar bei immens reichen, aber von gewaltigen musealen Erhaltungspflichten bedrängten Großgrundbesitzern irgendwann eine Rolle spielen: „Wer staatliche Zuschüsse will, muss seine Schätze zumindest in minimalem Umfang öffnen“, sagt ein römischer Kunsthistoriker.

Zum anderen hat die neue Strategie, wie die weit verzweigte Familie einräumt, „mit dem Generationswechsel und den häufig damit verbundenen Spaltungen und Nachfolgeregelungen“ zu tun. Der heute 90-jährige Fürst Alessandro hat die Familiengeschäfte in die Hände seines jüngsten Sohnes Giulio (52) gelegt; die Familie hat den Besitz in großen Teilen in eine – steuersparende – Stiftung transferiert. Diese wird verwaltet vom Enkel des Fürsten, Alexander Poma Murialdo, Präsident der hauseigenen Privatbank Banca del Fucino. Er hat auch den Vertrag mit dem Kulturministerium unterzeichnet. [ CollezioneTorlonia ]

AUF EINEN BLICK

Die Torlonia ist eine aus Frankreich eingewanderte italienische Bankiersfamilie, die ab dem 18. Jahrhundert in Rom zu Reichtum und politischem Einfluss gelangte, 1809 stieg die Familie in den päpstlichen Adel und 1814 in den Fürstenstand auf. Die Torlonia zählen bis heute zum europäischen Hochadel. Sie besitzen eine der größten antiken Kunstsammlungen der Welt, die allerdings bisher der Öffentlichkeit nicht zugänglich war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2016)

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