Die tödlichen Balkanpisten

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Themenbild(c) REUTERS (STOYAN NENOV)
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Nirgends in der EU ist Autofahren so gefährlich wie in Bulgarien und Rumänien. Mitschuld daran sind auch Misswirtschaft und Korruption.

An die tristen Todesmeldungen und Bilder von ineinander verkeilten Autowracks und Blutlachen haben sich die Bewohner Osteuropas längst gewöhnt. „Der Krieg auf den Straßen geht weiter“, titelte erst am Wochenende routiniert das bulgarische Webportal Begonair.bg bei einer Geschichte über eine Serie jüngster Verkehrsunfälle in dem osteuropäischen Land.

Tatsächlich ist nirgendwo in der EU der Blutzoll des Straßenverkehrs so hoch wie in Rumänien und Bulgarien, also jenen Staaten, die bei sonstigen Vergleichen mit anderen EU-Staaten in vielerlei Hinsicht meist am unteren Ende der Statistik liegen. Doch bei der Zahl der tödlichen Verkehrsunfälle liegen die beiden mit jeweils rund 95 Verkehrstoten pro Million Einwohner und Jahr ganz vorn. Pro Einwohner ist dort das Risiko, bei einem Verkehrsunfall zu sterben, laut einer jüngsten EU-Erhebung mit Basis 2015 fast doppelt so hoch wie im EU-Schnitt (51) und gar drei- bis viermal so hoch wie in Schweden (27) und den Niederlanden (28). In Österreich waren es 56 Tote pro Million Bewohner.

Für die Tatsache, dass die Zahl der Verkehrstoten bei den beiden EU-Negativspitzenreitern sowie in den anderen Ländern der Region, aber auch in Österreich, wieder am Steigen ist, machte die EU-Kommission neben den milder werdenden Wintern auch die Unsitte des Telefonierens am einhändig gehaltenen Steuer verantwortlich. Doch für die hohe Zahl der verlorenen Leben in Osteuropa sind vor allem landesspezifische Eigenheiten verantwortlich: Außer einem mangelhaft ausgebauten und oft stark beschädigten Straßennetz gelten unverantwortliche Autofahrer, mangelhafte Abschreckung und Aufklärung, aber auch korrupte Behörden als Grund für die hohen Zahlen an Verkehrstoten.

Lkw rasen durch Dörfer

Das 20-Millionen-Einwohner-Land Rumänien besitzt beispielsweise nicht einmal 600 Autobahnkilometer. Auch fehlende Umgehungsstraßen lassen darum selbst den Schwerverkehr auf völlig überfüllten Fernstraßen mit überhöhter Geschwindigkeit durch Dörfer und Städtchen donnern.

Auf abgelegenen, schlecht beleuchteten und kaum gesicherten Provinzstraßen bilden nach Einbruch der Dunkelheit nicht nur unbeleuchtete Pferdefuhrwerke, sondern auch der löcherige Asphalt ein hohes Risiko: Die zu schnelle Fahrt durch ein Schlagloch kostete im vergangenen Herbst selbst einem Polizisten der Motorradeskorte von Rumäniens Innenminister das Leben.

Doch es ist auch überhöhte Geschwindigkeit der Autofahrer, die sich für diese selbst und für Fußgänger und Radfahrer oft als fatal erweist. Bei einem Viertel aller bulgarischen Unfälle sind Fußgänger beteiligt – die Schuld liegt nach Auskunft der Polizei fast immer beim Fahrer.

Nicht nur den Mangel an Mitteln für Aufklärungskampagnen, sondern auch die nachlässige Eintreibung verhängter Strafen, Alkohol am Steuer und die veraltete Gesetzgebung macht der Verband der Straßenverkehrsopfer für die hohe Zahl der Unfälle verantwortlich: So sei allein schon die auf Bulgariens Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von offiziell 140, aber faktisch 150 km/h angesichts des oft sehr schlechten Zustands des Asphalts viel zu hoch.

Mit Schmiergeld geht alles

Auffällig viele Unfallverursacher in Bulgarien sind zudem mit falschen Fahrzeugpapieren unterwegs. Dass Korruption die Sicherheit im Straßenverkehr beeinträchtigen kann, hat kürzlich die Verhaftung des Chefs der Straßenbau- und Transportbehörde in Sofia demonstriert. Sie soll einen schwunghaften Handel mit illegal vergebenen Speditionslizenzen und Führerscheinen betrieben haben: Gegen Schmiergeld lässt sich auf dem Balkan selbst der lästige Fahrunterricht ersparen oder stark abkürzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2016)

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