Eine Backstube zum Preis eines Baguettes

Michel Flamant beobachtet die Arbeit seines Schützlings Jeroma Aucant ganz genau.
Michel Flamant beobachtet die Arbeit seines Schützlings Jeroma Aucant ganz genau.APA/AFP/SEBASTIEN BOZON
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Ein Obdachloser rettet einem französischem Bäcker das Leben. Der Bäcker lehrt den Mann das Handwerk und macht ihn zu seinem Nachfolger.

Er hat ihm das Leben gerettet und jetzt übernimmt er die Bäckerei. Bäcker Michel Flamant und der einstige Obdachlosen Jerome Aucant haben durch Zufall - oder Schicksal - zueinander gefunden. Jahrelang suchte der heute 62-jährige Flamant einen Nachfolger für seine Bäckerei im ostfranzösischen Dole und fand ihn in seinem Lebensretter.

Flamant war Bäcker seit er 14 Jahre alt war. Seine Lebensgefährtin verkauft die Waren im Geschäft. Auch für sie wird eine Nachfolge gesucht. Flamants drei Töchter hatten andere Interessen. Und auch sonst wollte niemand die Bäckerei übernehmen.

Wochenlang hatte er dem Obdachlosen, der vor seinem Geschäft herumlungerte, jeden Morgen einen Kaffee und ein Croissant ausgegeben. Dann erlitt der Bäcker im Dezember plötzlich wegen eines kaputten Ofens eine lebensgefährliche Kohlenmonoxidvergiftung. Es war Aucant, der ihn fand und den Notarzt rief. "Wäre Jerome nicht da gewesen, wäre ich auf dem Friedhof gelandet", sagt Flamant. Als er nach zwölf Tagen aus dem Krankenhaus kam, bot er Aucant einen Job an.

"Ich bin fordernd"

Anstatt die Bäckerei zu verkaufen, übergibt Flamant sie bald dem 37-Jährigen für den Preis eines Baguettes: für einen symbolischen Euro. "Ich bin fordernd. Die Arbeit muss so gemacht werden, wie ich es sage, und nicht anders", erzählt Flamant der Nachrichtenagentur Agence France Presse, während er ein Baguette auf dem Backblech zurechtrückt. Er arbeite gern Leute ein, "die auf meine Ratschläge hören, wie Jerome", fügt er anerkennend hinzu.

Sechs Tage die Woche steht er von Mitternacht bis mittags in der Backstube im Keller, backt Brot, Kuchen und Torten. Schnell war der Bäcker angetan von seinem tätowierten Lehrling, der sich extra für seinen ersten richtigen Job die Dreadlocks abschnitt. "Jerome ist ein Arbeitstier", sagt Flamant. "Also habe ich beschlossen, ihm die Bäckerei für einen symbolischen Euro zu überlassen." Das Leben sei wichtiger als Geld. "Ich bin nicht reich, aber das Geld ist mir egal. Ich will frei sein, ich will jetzt meine Ruhe haben. Und wenn es ihm zum Glück verhilft..." Flamant muss sich setzen, die Arthrose in seinen Beinen schmerzt.

Aucant, der bisher gelegentlich auf Volksfesten jobbte und nicht weiter über seine Vergangenheit sprechen will, ist voller Tatendrang: "Ich habe Lust zu arbeiten, und die Arbeitszeiten in der Bäckerei machen mir keine Angst", sagt er. Im September soll die Einarbeitung beendet sein, dann will Flamant die Schlüssel zur Backstube an seinen Lehrling übergeben.

(APA/AFP (Angela Schnaebele))

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