Südafrika: Sechs Jahre für Pistorius

Der verurteilte Athlet Oscar Pistorius umarmt im Gerichtssaal in Pretoria seine Familie.
Der verurteilte Athlet Oscar Pistorius umarmt im Gerichtssaal in Pretoria seine Familie. (c) REUTERS (POOL)
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Ein Gericht verurteilte den ehemaligen Sprinter. Pistorius bestritt bis zuletzt, seine Freundin absichtlich erschossen zu haben.

Pretoria/Wien. Reeva Steenkamp hatte sich auf den Valentinstag gefreut. Einen Tag vorher, am 13. Februar, verkündete sie ihre Freude auf Twitter und fragte ihre Gefolgschaft, was sie denn an diesem Tag „mit ihren Liebsten“ geplant hätten. Nur etwas später verbreitete das südafrikanische Model einen Aufruf, sich an einem bestimmten Tag schwarz anzuziehen – als Unterstützung für Frauen, die misshandelt oder vergewaltigt wurden.

Am Valentinstag selbst wurde Steenkamp erschossen. Ihr Partner, Oscar Pistorius, zielte in seiner Villa durch die Toilettentür auf das Model, später gab er vor Gericht an, einen Einbrecher vermutet zu haben. Das war im Jahr 2013. Der Fall hat die südafrikanischen Gerichte lang beschäftigt, nun hat am Mittwoch Richterin Thokozile Masipa das Urteil ausgesprochen: Sechs Jahre wegen Mordes. Pistorius zeigte bei der Verkündung keine Regung, seine Verteidiger gaben an, nicht in Berufung gehen zu wollen. Die Anklage hat sich bisher noch nicht geäußert.

„Er ist ein gefallener Held und wird niemals Frieden finden“, sagte Richterin Masipa bei der Urteilsverkündung. Sechs Jahre sind noch immer ein mildes Urteil, finden hingegen Kritiker, zumal die Staatsanwaltschaft mindestens 15 Jahre Haft gefordert hat. Die Richterin ist überzeugt davon, dass Pistorius' Wiedereingliederung in die Gesellschaft funktionieren wird – und dass eine lange Haftstrafe der Gerechtigkeit nicht dienen würde. „Die öffentliche Meinung mag laut und beharrlich sein, aber sie hat keinen Einfluss auf die Rechtsprechung dieses Gerichts“, so Masipa.

Schillerndes Paar

Mit dem Urteil vom Mittwoch kommt höchstwahrscheinlich der Prozessreigen rund um Pistorius zu einem Ende. Dem ehemals gefeierten südafrikanischen Athleten, Jahrgang 1986, sind aufgrund eines Gendefekts beide Beine im Kindesalter amputiert wurden. Er lernte das Gehen mit Prothesen, später auch das Sprinten, wobei er sich talentiert zeigte.

Pistorius gewann eine lange Reihe von Paralympic-Medaillen, brach mehrere Weltrekorde. Nur ein halbes Jahr vor dem tödlichen Vorfall erschien seine Autobiografie, „Blade Runner“ – der Mann, der auf Klingen rennt. „Blade Runner“ war denn auch sein Spitzname, die Medien bezeichneten ihn als „schnellsten Mann ohne Beine“. Steenkamp und Pistorius traten als schillerndes Paar auf; sie sollen sich nach wenigen Monaten Beziehung verlobt haben. Masipa zufolge gab es keine Hinweise darauf, dass die Beziehung gewalttätig war.

Über den Vorfall an jenem Valentinstag gelangten über die Jahre immer mehr Details in die Medien, wiewohl nicht alle verifiziert wurden. So soll das Opfer einem Buch zufolge Verletzungen von Schlägen aufweisen. Fest steht, dass zumindest eine Zeugin vor Gericht von Schreien in der Nacht berichtete. Pistorius blieb bei seiner Aussage, dass er hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutete; es habe ihm Angst eingeflößt. „Ich hatte nie die Absicht, meine Freundin zu töten“, gab er vor Gericht an. Psychiatrischen Gutachten zufolge war Pistorius zum Tatzeitpunkt voll schuldfähig.

In erster Instanz wurde der Sportler – ebenfalls von Richterin Masipa – wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er wurde auf Bewährung vorzeitig entlassen, den Hausarrest verbrachte er im Haus seines Onkels. Die Staatsanwaltschaft wollte eine Verurteilung wegen Mordes erreichen und ging in Berufung. (duö/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2016)

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