Dänemark: Haft wegen eines Stanley-Messers

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Ein Gesetz über das Mitführen von Messern trifft einen 19-Jährigen, der für seinen Job ein Stanley-Messer dabeihatte. Das strenge Urteil hat in Dänemark eine heftige Debatte angeheizt.

Kopenhagen. Zu Haris' Aufgaben in seinem Tankstellenkiosk gehört es, die Pappkartons mit frischen Lieferungen aufzuschlitzen. Dazu benützt er eines der Hobbymesser mit ausfahrbarer Klinge, wie man sie für ein paar Euro in jedem Supermarkt kaufen kann.

Eines dieser harmlosen Stanley-Messer hatte Haris Cehics in seinem Auto vergessen, als er kürzlich in eine Polizeikontrolle geriet. Jetzt muss der 19-Jährige für dieses Vergehen sieben Tage ins Gefängnis und bekommt einen schwarzen Fleck in seinem Strafattest, der seine Hoffnung, einst selbst Polizist werden zu können, zunichtemacht.

Das strenge Urteil hat in Dänemark eine heftige Debatte angeheizt, ob die Gesetzgeber in ihrem Eifer, Handlungskraft zu zeigen, das Land „in eine absurde Richtung drehen“ und „Unschuldige ins Verderben stürzen“, wie es die Kommentatorin Helle Ib ausdrückt. Das verschärfte Waffengesetz, dem Haris Cehics zum Opfer fiel, war die Folge einer Serie von Messerstechereien im dänischen Nachtleben, auf die die Politiker mit der stets populären Forderung nach strengeren Strafen reagierten. Das Mitführen von Messern mit Klingen von mehr als sieben Zentimetern ist seither verboten, und um sich als besonders tatkräftig zu beweisen, setzten die Parlamentarier gegen die Warnungen vieler Juristen eine Mindeststrafe durch: sieben Tage Knast. Ohne Bewährung.

Richter weist Kritik zurück

Die trifft nun Cehics, obwohl sein Messerchen als Stich- oder Hiebwaffe denkbar ungeeignet und – voll ausgefahren – so biegsam ist, dass es beim Zustoßen rasch abbrechen würde. Jetzt meint selbst Peter Skaarup von der Dänischen Volkspartei, sonst der schärfste unter den Scharfmachern der Rechtspolitik, dass man derartig groteske Folgen nicht habe vorhersehen können.

„Heuchler“, erwidert ihm der Liberale Karsten Nonbo: „Wir haben immer gewusst, dass das Gesetz zuschlagen wird. Aber wir wollten den gefährlichen Messerstechern beikommen.“

Kritik am Richter, der Haris Cehics Geldstrafe aus erster Instanz in die Freiheitsstrafe umwandelte, weisen Juristen entschieden zurück: Er habe das Gesetz genauso ausgelegt, wie es gedacht war. Wenn die Politiker jetzt unzufrieden seien, hätten sie ein besseres Gesetz machen sollen.

Dass sich nun eine Mehrheit für die Revision der eben erst verschärften Regeln abzeichnet, hilft Haris Cehics nicht. „Meine ganze Zukunft ist zerstört“, klagt er und setzt die letzte Hoffnung auf den Obersten Gerichtshof, den sein Verteidiger angerufen hat. Die Höchstrichter können Fälle aufgreifen, die von prinzipieller Bedeutung für die Rechtsprechung sind, auch wenn sie sich sonst nicht mit winzigen Messern und einwöchigen Strafen abgeben.

Mehr Messerstechereien

Im Jahr 2008 wurden bei der Polizei 13 Messerstechereien gemeldet. In zwei Fällen waren sie tödlich: Ein 19-Jähriger wurde von einer Bande Burschen im Alter zwischen 19 und 21 Jahren auf einem Platz in einem der besseren Viertel Kopenhagens niedergestochen, weil er ihnen nicht seine Wollmütze (!) geben wollte. In derselben Nacht kam es noch zu zwei weiteren Zwischenfällen mit Messern.

In Dänemark, wo Fischen und Jagen zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten zählen, besitzen naturgemäß auch sehr viele Menschen Messer.

AUF EINEN BLICK

Nach einer Serie von Messerattacken wurde in Dänemark das Waffengesetz verschärft: Das Mitführen von Messern mit Klingen von mehr als sieben Zentimetern ist seither verboten. Bei Zuwiderhandeln drohen eine Geldstrafe oder sieben Tage Gefängnis, ohne Chance auf Bewährung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2009)

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