China: Das Ende der Korruptionskönigin

(c) APA/AFP/GREG BAKER
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Nach 13 Jahren Flucht stellte sich die meistgesuchte Korruptionsverdächtige. Peking macht weltweit massiv Jagd auf korrupte Beamte, Kritiker wittern politische Verfolgung.

Peking/Wien. Gestützt von zwei Polizistinnen betrat Yang Xiuzhu am Mittwoch am Pekinger Flughafen erstmals seit 13 Jahren wieder chinesischen Boden. In eine olivgrüne Daunenjacke und einen schwarz-weißen Ringelpullover gehüllt, taumelte die kleine Frau die Gangway hinab. Die 70-Jährige ist Chinas meistgesuchte Korruptionsverdächtige. Sie führte die Rote Liste der „100 Most Wanted“ an, die Peking 2015 über die internationale Polizeibehörde Interpol veröffentlicht hatte.

Für die kommunistische Führung ist die Rückkehr der Exbeamtin ein großer Erfolg: „Es ist ein starkes Signal, dass wir Kriminelle zur Rechenschaft ziehen, auch wenn sie bis ans Ende der Welt fliehen“, sagte die Antikorruptionsbehörde.

Xi Jinping machte den Kampf gegen Korruption 2012 zu einer seiner Hauptagenden. Mit den Operationen „Fuchsjagd“ und „Himmelsnetz“ weitete der Staats- und Parteichef die Jagd auf korrupte Beamte und Wirtschaftsflüchtige über Chinas Grenzen aus. In zwei Jahren schnappten die Antikorruptionsjäger 2020 Abtrünnige in Dutzenden Ländern und konfiszierten eine Milliarde Euro. Die meisten Exilanten flohen in die USA und Kanada. In Europa befänden sich bis zu fünf Verdächtige, sagt die chinesische Botschaft in Wien der „Presse“. Aufgrund der Schengen-Freizügigkeit sei es jedoch schwer abzuschätzen, wo sie sich genau aufhielten.

Yang ist Nummer 37 der Top-100-Liste, die nach China zurückkehrt. Als Vizebürgermeisterin der Millionenstadt Wenzhou soll sie 34 Millionen Euro Bestechungsgelder angenommen haben. Nach jahrelanger Flucht wurde Yang 2014 bei ihrer Einreise mit einem falschen Pass in den USA festgenommen. Dort versuchte sie, ihre Rückführung mit einem Asylantrag zu verhindern. Lange hatte Yang die Vorwürfe bestritten und Chinas Fahndungsliste als Instrument gegen Feinde des Regimes bezeichnet. Ihr Bruder, ebenfalls wegen Bestechung gesucht, war vor einem Jahr aus den Staaten zurückgeschickt worden. Sie sterbe lieber in den USA als zurückzukehren, wehrte sich die Flüchtige zunächst gegen eine Auslieferung. Gesundheitsprobleme und Heimweh bewegten sie letztlich zum Umdenken, meinte ihr Anwalt. China dürfte dabei einige Überzeugungsarbeit geleistet haben: Mehrmals hätten Beamte Yang besucht, um sie im Gegenzug für Strafmilderung von einer freiwilligen Rückkehr zu überzeugen, sagte die Antikorruptionsbehörde.

Chinese ist neuer Interpol-Chef

Bisher hatte Peking mit seinem Lobbying für eine engere internationale Zusammenarbeit im Antikorruptionskampf wenig Erfolg. Viele Staaten sperren sich gegen Auslieferungsverträge mit einem Land, in dem Zwangsgeständnisse und die Folter von Häftlingen laut Menschenrechtlern Usus ist, bestimmte Wirtschaftsverbrechen mit dem Tod bestraft werden und dessen Behörden oft nur dürftige Beweise liefern – in der EU schlossen nur Portugal, Spanien, Frankreich und Litauen solche Abkommen. Vergangenes Jahr beschuldigte der US-Geheimdienst Chinas Korruptionsjäger zudem, Verdächtige mit Einschüchterungstaktiken, etwa dem Bedrohen von Familienmitgliedern, zur Heimkehr zu bewegen.

In den nächsten vier Jahren könnten jedoch mehr und mehr Korrupte ins „Himmelsnetz“ laufen: Neuer Interpol-Chef wird nämlich Meng Hongwei, derzeit Chinas Vizeminister für öffentliche Sicherheit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2016)

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