Neonazi-Überfall vorgetäuscht: Brasilianerin vor Gericht

Prozess in Zuerich um vorgetaeuschte Neonazi-Attacke
Prozess in Zuerich um vorgetaeuschte Neonazi-Attacke(c) AP (Massimo Pinca)
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Im Februar hat eine Brasilianerin in der Schweiz einen Neonazi-Überfall vorgetäuscht, indem sie sich unter anderem selbst Schnittwunden zugefügt hat. Nun steht sie wegen Irreführung der Justiz vor Gericht.

Die heute 27-jährige Brasilianerin hat im vergangenen Februar in der Schweiz einen angeblichen Neonazi-Überfall vorgetäuscht. Nun steht sie am Mittwoch vor dem Zürcher Bezirksgericht.

Der Staatsanwalt wirft der Frau Irreführung der Rechtspflege vor. Sie habe "bei einer Behörde wider besseres Wissen angezeigt", steht er in der Anklageschrift. Er beantragt eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 30 Franken (Knapp 20 Euro) und eine Buße von 1000 Franken. Die Beschuldigte erkennt die Anklage nicht an. Ihr Verteidiger will vor Gericht weitere Beweisanträge stellen.

Oberflächliche Schnittwunden am ganzen Körper

Am 9. Februar 2009 hatten die junge Frau und ihr Schweizer Freund Polizei und Rettungskräfte alarmiert. Grund: Die Frau war beim Bahnhof Zürich-Stettbach angeblich Opfer eines Überfalls dreier Neonazis geworden.

Am ganzen Körper wies sie oberflächliche Schnittwunden auf. Auf Bauch und Beinen waren die Buchstaben "SVP" eingeritzt. Zudem war sie nach eigenen Angaben mit Tritten in den Bauch traktiert worden. Dies habe eine Fehlgeburt ihrer Zwillinge ausgelöst.

Aufregung auch in Brasilien

Der Vorfall sorgte weltweit für Empörung. Derart fremdenfeindliche Tendenzen in Zürich wurden scharf verurteilt. Der brasilianische Präsident Lula da Silva schaltete sich ein und verlangte eine schonungslose Aufklärung des Falls.

Nach wenigen Tagen allerdings war klar: Einen Überfall hatte es nie gegeben. Laut Anklageschrift fügte sich die psychisch angeschlagene Frau die Verletzungen in der Bahnhofstoilette selbst zu. Anschließend rief sie ihren nicht eingeweihten Freund per SMS zu Hilfe. Gynäkologische Untersuchungen ergaben zudem, dass sie zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht schwanger war.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gab die Frau zu, sich selbst verletzt zu haben. Das angebliche Opfer wurde zur Beschuldigten, später zur Angeklagten. Sie musste ihren Reisepass abgeben.

SVP verlangte Ausweisung

Die Brasilianerin ist studierte Juristin und war in der Schweiz angestellt. Nach dem Vorfall wurde sie vorübergehend stationär psychiatrisch betreut. Zu Motiv und Hintergrund der Tat wurde sie mehrmals eingehend befragt. Zudem wurde ein umfangreiches gerichtspsychiatrisches Gutachten erstellt.

Auch auf politischer Ebene gab der Fall zu reden. Die SVP verlangte wiederholt die Ausweisung der Frau. Die Zürcher Kantonsregierung machte allerdings klar, dass dies rechtlich gar nicht möglich sei, solange ein psychiatrisches Gutachten erstellt werde. Und ein solches sei in einem derartigen Fall vorgeschrieben.

Medienprozess anhängig

Im Zusammenhang mit dem Fall ist noch eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft wegen Amtsgeheimnisverletzung anhängig: Sie will klären, wie ein Einvernahmeprotokoll der Zürcher Stadtpolizei an die "Weltwoche" gelangt ist.

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