Tschetschenenmord: "Konstruierter" Verdacht

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Der tschetschenische Präsident Kadyrow soll der Drahtzieher für den Mord sein. Sein Anwalt wirft im "Presse"-Gespräch den Wiener Behörden Fahrlässigkeit vor.

Moskau. In Tschetscheniens Regierung hat man die Causa „Tschetschenenmord in Wien" hörbar satt: „Soll ich's noch 20-mal sagen?", meint Alvi Karimow, Sprecher des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, auf Anfrage der „Presse" barsch. Kadyrow habe mit dem Mord an seinem Exleibwächter Umar Israilow im Jänner 2009 in Wien oder Versuchen, Israilow zu entführen, nichts zu tun.s Die jüngste Mutmaßung der Wiener Behörden über Kadyrows Verwicklung seien „konstruierte, grundlose Beschuldigungen".

Andrej Krasnenkow, seit zwei Jahren Anwalt des tschetschenischen Präsidenten, wird noch deutlicher: „Der Berg hat eine Maus geboren", sagt er zur „Presse". „Die österreichischen Ermittler stehen wohl unter Zeitdruck und sahen sich gezwungen, ihre Arbeit vor der Gesellschaft zu rechtfertigen." Laut Krasnenkow fehlten jegliche Beweise für eine Verwicklung seines Mandanten: „Fotos, Telefonate! Was sagt das schon?" Die Wiener Ermittler sollten etwas ernsthafter arbeiten und nicht mit der fahrlässigen Nennung angeblicher Drahtzieher das falsche Gefühl vermitteln, man habe den Auftraggeber gefunden.

Ob österreichische Ermittler Tschetscheniens Präsidenten befragen könnten? „Wenn sie wollen und eine Grundlage dafür haben", entgegnet der Anwalt. In dem Fall sollten sie nach Tschetschenien kommen, oder in Zusammenarbeit mit russischen Behörden eine Befragung durchführen. „Aber ich sehe keine Gründe dafür."

Israilow wollte auspacken

Laut „New York Times" und „Falter" soll das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Spuren haben, die vom Mord an Israilow zumindest ins engste Umfeld Kadyrows führen. Laut Gerhard Jarosch, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, glaube das LVT, Kadyrow habe zumindest den Auftrag zur Entführung gegeben; der Mord habe „sich ergeben, da die Entführung schiefging".

In einem „Presse"-Interview vor einem Jahr hatte Tschetscheniens Präsident zwar nicht von einem „Entführungsauftrag" gesprochen, aber erzählt, er habe mit Israilow über „die Rückkehr verhandelt". Israilow, der in Kadyrows Leibgarde diente und sich später absetzte, sei unter Einfluss von Islamisten gestanden und gezwungen worden, mit Behauptungen von „Todeslisten" Kadyrow anzuschwärzen. Tatsächlich wollte Israilow vor dem Europäischen Menschengerichtshof über die brutalen Zustände in Tschetschenien auspacken.

Dass österreichische Gerichte Kadyrow je befragen können, schließt Alexander Tscherkasow von der Menschenrechtsorganisation „Memorial" aus. Selbst die mutmaßlichen Mörder des Ex-KGB-Offiziers Alexander Litwinenko seien nicht an London ausgeliefert worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2010)

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