Durchbruch im Kampf gegen Ölpest?

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BP hat eine Kappe über dem Bohrloch angebracht, die den Öl-Ausfluss stoppen könnte. Das Umweltdesaster ist deshalb aber längst nicht zu Ende. Fischerei und Tourismus klagen über eine verlorene Saison.

WASHINGTON. „Denk doppelt, bevor du handelst.“ Die Sentenz, die BP an ihrem 68 Tonnen schweren, 30Meter hohen Stahlzylinder „Top Hat 10“ in 1500 Meter Meerestiefe angebracht hat, liest sich wie ein Eingeständnis des Versagens. Eine aus Hast und Spardruck gespeiste Kette aus Schlamperei und Fehlern hatte am 20. April zur Explosion der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ und zur größten Ölkatastrophe aller Zeiten geführt. Seither sind mindestens 170 Millionen Liter Öl, womöglich sogar das Doppelte, ins Meer gesprudelt: ein Fiasko für die Fischerei, den Tourismus, nicht zuletzt für BP – zuvorderst allerdings für die Umwelt.

Zwölf Wochen nach Beginn der Ölpest stehen die verzweifelten Versuche, den Ölfluss zu stoppen, jetzt allerdings vor einem Durchbruch. Bis spätestens Donnerstag soll feststehen, ob die neue Stahlkappe über dem Leck dem Druck aus der Ölquelle „Macondo“, die selbst in maximal 5500 Meter Tiefe liegt, standzuhalten vermag und nicht noch weitere Lecks auftauchen. Im Optimalfall kann die Vorrichtung das Öl nicht nur teilweise,sondern gänzlich stoppen – aber auch vollständig nach oben in einen Tanker weiterleiten.

Vielversprechende Tests

Erste Tests verliefen Dienstag so vielversprechend, dass Thad Allen, der Krisenkoordinator der US-Regierung, von einem „entscheidenden Fortschritt“ sprach. „Wir können das Loch komplett abdichten.“ Nach zahllosen fehlgeschlagenen Manövern, die sich mit markigen Namen wie „Top Kill“ oder „Junk Shot“ verbinden, und Fauxpas ihres Chefs Tony Hayward übten sich die BP-Krisenmanager indes in Zurückhaltung: „Die Zuversicht nimmt zu“, sagte Doug Suttles etwas verhalten.

Mittlerweile hat BP weitere Tests mit der neuen Kappe auf dem Bohrloch der Unglücks-Ölquelle aber verschoben. Es sei entschieden worden, dass dem Verfahren noch einige Analysen vorausgehen sollten, sagte Allen. Die Tests, ob die neu angebrachte Abdeckung letztlich das Austreten des Öls ins offene Meer stoppen kann, sollten eigentlich noch am Dienstag beginnen.

Eine endgültige Lösung hat der britische Konzern für den August avisiert. Bis dahin sollen Entlastungsbohrungen das ursprüngliche Bohrloch in der Tiefe mit Schlamm und Zement versiegeln. BP-Manager Bob Dudley nährte jüngst die Hoffnung auf ein rascheres Ende, als er erklärte, die Bohrarbeiten verliefen schneller als geplant. Stürme oder gar Hurrikans könnten den Zeitplan jedoch über den Haufen werfen.

US-Innenminister Ken Salazar verfügte indessen ein neues Moratorium für Tiefseebohrungen mit Ablaufdatum Ende November. Weil zuletzt ein Berufungsgericht in New Orleans zur Blamage des Weißen Hauses einen solchen Bohrstopp wegen „zu allgemeiner Klauseln“ zwei Mal gekippt hatte, revidierte Salazar die Begründung.

Ölklumpen am Strand

Der Kampf gegen die Ölpest ist freilich selbst bei einem Versiegen des Ölstroms längst nicht zu Ende. Die Aufräumarbeiten an der Golfküste werden noch Monate in Anspruch nehmen, die ökologischen Folgen für Flora und Fauna sind unabsehbar. In den nächsten ein, zwei Jahren würden weiterhin Ölklumpen an Land geschwemmt werden, schätzt Billy Nungesser, ein Lokalpolitiker in Louisiana. Die Fischerei ist in der Region praktisch zum Stillstand gekommen, der Tourismus verzeichnet Einbußen von bis zu 70 Prozent. Ein Benefizkonzert und ein Besuch der First Lady Michelle Obama sollten zuletzt die Moral der Bevölkerung heben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2010)

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