Aus für Loveparade nach der Tragödie von Duisburg

fuer Loveparade nach Tragoedie
fuer Loveparade nach Tragoedie(c) APN (Mario Vedder)
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Nachdem bei einer Massenpanik 19 Menschen ums Leben gekommen sind, wird gegen die Veranstalter jetzt wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. In Deutschland soll nie wieder eine solche Veranstaltung stattfinden.

Wien/Duisburg. Eine Reihe von Kerzen steht im düsteren Licht des Tunnels auf dem Asphalt, davor eine Sonnenblume – und ein Sticker mit der Aufschrift „Dance or die“. Ein Bild, das man nicht so schnell vergessen wird.

Am Sonntag, dem Tag nach dem Unglück bei der Loveparade in Duisburg, herrschen Trauer und Wut. Trauer um die 19 Menschen, die in einer Massenpanik im einzigen Zugangstunnel zu dem gigantischen Freiluft-Techno-Event zu Tode getrampelt wurden (350 weitere wurden teils schwer verletzt). Und Wut über die Organisatoren, die offenbar die Kapazitäten des Festivalgeländes fahrlässig überschätzt, gleichzeitig den Massenansturm zu der seit 1989 an verschiedenen Orten abgehaltenen Großparty unterschätzt haben.

Immer wieder legen Leute im Tunnel, der zum tödlichen Nadelöhr wurde, und an anderen Stellen Blumen nieder. Auf Zetteln, die an Mauern und Zäune geklebt werden, dominiert eine Frage: Warum? Es ist die Frage, die allen unter den Fingernägeln brennt. Doch gerade sie wird bei der Pressekonferenz, die Oberbürgermeister Adolf Sauerland, sein Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe, Loveparade-Organisator Rainer Schaller und Vize-Polizei-Präsident Detlev von Schmeling Sonntagmittag geben, nicht beantwortet.

Der sichtlich geschockte Sauerland verweist ein ums andere Mal darauf, dass nun die Staatsanwaltschaft am Zug sei: „Ich appelliere an alle, den ermittelnden Behörden die nötige Zeit zu lassen. Mit voreiligen Schuldzuweisungen ist weder den Opfern noch den Angehörigen geholfen.“ Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Das Sicherheitskonzept und zahlreiche weitere Unterlagen der Organisatoren wurden bereits beschlagnahmt.

Streit um Teilnehmerzahl

Die klarsten Worte findet Schaller: Er verkündet, was später auch den Beifall von Loveparade-Gründer Dr. Motte finden wird – es wird keine weitere Auflage des Techno-Spektakels geben. Dann prasselt eine Kaskade schwerwiegender Fragen auf die vier ein: Gab es nicht lange vor dem Unglückstag schon Warnungen, auch seitens der Feuerwehr? War das für 250.000, maximal 300.000 Menschen geeignete Gelände nicht viel zu klein für einen erwartbaren Ansturm von über einer Million Menschen? Warum hat die Polizei plötzlich den Zugang abgesperrt?

(c) APA (M. Schmitt)

Die Verantwortlichen machen dabei keine gute Figur, winden sich um die Antworten herum. Vize-Polizei-Präsident Schmeling will gar nicht von einer „Massenpanik“ sprechen und kritisiert die seit Samstag kolportierte Zahl von 1,4 Millionen Besuchern als viel zu hoch: Die einzig belastbare Zahl sei jene von 105.000 Techno-Fans, die per Bahn angereist wären.

Schmeling und Wolfgang Rabe, der den Krisenstab leitet, müssen erklären, warum der Zugang gesperrt wurde – dies löste mit ziemlicher Sicherheit die Panik aus –, obwohl das Gelände nach seinen Angaben noch gar nicht voll war. Das eigentliche Gelände sei offen gewesen, gesperrt habe man wegen Überlastung nur den Zugang zum Tunnel, hieß es. Augenzeugenberichte scheinen der Darstellung zu widersprechen. Vorwürfe gab es auch wegen der Überlastung der Hotline: Von über 500.000 Anrufen konnte gerade ein Hundertstel angenommen werden.

„Bin durch Hölle gegangen“

Viele, die das Unglück hautnah miterleben mussten und vielleicht selbst nur knapp davongekommen sind, standen am Sonntag noch unter Schock: „Ich bin durch die Hölle gegangen. Ich kann das nicht verarbeiten. Die Leute sind einander auf den Köpfen rumgetrampelt. Wir waren hilflos“, zitiert die DPA einen 27-jährigen Raver.

Kritik trug den Veranstaltern auch ein, dass sie das Fest nicht sofort abbrachen. So erfuhren manche Teilnehmer erst Stunden später, was in ihrer unmittelbaren Nähe geschehen war, wie ein DJ berichtete: „Ich sah Verletzte, Tote und heulende Menschen, die unter Schock standen. 40 Meter entfernt waren Leute am Tanzen, die gar nicht mitbekommen hatten, was passiert war. Himmel und Hölle lagen dicht beieinander.“

AUF EINEN BLICK

Bei der Loveparade am Samstag in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) starben infolge einer Massenpanik 19 Menschen, 350 wurden zum Teil schwer verletzt. Bis Sonntagmittag konnten 18 Tote identifiziert werden, darunter Opfer aus China, Holland, Australien, Italien, Spanien und Bosnien. Umstritten blieb die Teilnehmerzahl: Schätzungen reichten von 150.000 bis zum knapp Zehnfachen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2010)

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